Schütze von KonolfingenTäter soll aus Verzweiflung geschossen haben
Das bernische Obergericht befasst sich seit Mittwoch mit einer Schiesserei von 2012 in Konolfingen. Der Schütze hofft mit einer Freiheitsstrafe von maximal zehn Jahren davonzukommen.
In erster Instanz hatte das Regionalgericht Bern-Mittelland den 29-jährigen Mazedonier zu 15 Jahren wegen versuchten Mordes verurteilt. Das sei ein viel zu hartes Urteil, erklärte Verteidiger Manuel Rohrer am Mittwoch vor dem Obergericht. Sein Mandant habe nicht kaltblütig gehandelt, sondern in grosser Verzweiflung eine falschen Entscheidung getroffen. Angemessen sei ein Schuldspruch wegen versuchter vorsätzlicher Tötung.
Die Hintergründe der Tat vom 18. Juli 2012 sind nicht restlos geklärt. Unbestritten ist, dass der Mazedonier am Bahnhof Konolfingen sechs Schüsse abgab. Ein Kosovo-Albaner wurde schwer verletzt und sitzt seither im Rollstuhl. Ein zweiter Kosovo-Albaner kam unverletzt davon.
Täter hatte 30'000 Franken Schulden
Der Mazedonier war schwer verschuldet. Nach Darstellung der Verteidigung war er ein Opfer des Fajde-Systems, das auf dem Balkan verbreitet sei und auch hierzulande betrieben werde. Geld werde dabei privat zu Wucherzinsen verliehen. Könne der Schuldner nicht zahlen, gerate er immer stärker in die Abhängigkeit seiner Gläubiger.
Der Mazedonier habe beim nachmaligen Opfer 24'000 Franken für die Gründung einer Gerüstbau-Firma aufgenommen und hätte kurz darauf bereits 30'000 Franken zurückzahlen müssen. Das habe er nicht geschafft.
Hingegen habe er sich noch dazu überreden lassen, einem anderen Kosovo-Albaner einen BMW abzukaufen – ohne das Geld dafür zu haben. In der Folge habe es teils schlimme Drohungen gegen den Mazedonier gegeben.
Schüsse am Bahnhof
Am 18. Juli 2012 um etwa 20 Uhr eskalierte die Situation. Der Mazedonier sagte den Männern, er habe in seiner Wohnung beim Bahnhof immerhin 5000 Franken in bar. Als sie ihm ins Haus folgten, zückte er eine Waffe. Die Männer ergriffen die Flucht, in der Folge fielen die Schüsse.
Der Autoverkäufer konnte sich unverletzt in Sicherheit bringen. Der andere Kosovo-Albaner wurde auf dem Bahnhofplatz vom Täter niedergestreckt. Mehrere Personen wurden Zeugen der brutalen Szene. Das Opfer blieb schliesslich schwer verletzt liegen, der Mazedonier wurde kurz nach Mitternacht festgenommen.
Der Mazedonier habe dem Mann eine Abreibung verpassen wollen, sagte der Verteidiger. Den Tod des Mannes habe er zwar in Kauf genommen. Er habe aber keineswegs skrupellos gehandelt und auch keine Hetzjagd auf sein Opfer durchgeführt, wie die erste Instanz in ihrer Urteilsbegründung geschrieben habe.
Staatsanwalt fordert 18 Jahre
Anders sieht es Staatsanwalt Charles Haenni, der auf zweifachem versuchtem Mord beharrt und dafür eine Freiheitsstrafe von 18 Jahren verlangt. Der Täter habe zwei Menschen eliminieren wollen; er habe skrupellos und kaltblütig gehandelt. Die Szene auf dem Bahnhofplatz habe Züge einer Hinrichtung getragen.
Dass die beiden Kosovo-Albaner selber nicht zimperlich vorzugehen pflegten und einschlägig vorbestraft waren, ändere nichts an der Verwerflichkeit der Tat, betonte Haenni. Der Mazedonier habe von seinen Schuldnern nicht mehr behelligt werden wollen und sei dafür bis aufs äusserste gegangen.
Das Urteil des Obergerichts wird am Donnerstagnachmittag erwartet.