Coming-outTamara Funiciello outet sich als bisexuell
Die abtretende Juso-Präsidentin Tamara Funiciello wagt im «Magazin» ihr Coming-out. Sie kritisiert Männerbündnisse in der SP.
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- 20M
Tamara Funiciello (29) tritt auf Ende August als Juso-Präsidentin ab. Im Oktober will sie in den Nationalrat gewählt werden. Im «Magazin» gibt sie nun einen Einblick in ihr Privatleben: Sie sei bisexuell, sagt sie der Zeitschrift. Nach teilweise langjährigen Beziehungen mit Männern lebe sie nun mit einer Frau zusammen.
Dass sie damit nun an die Öffentlichkeit gehe, habe verschiedene Gründe. So habe es im eidgenössischen Parlament noch nie eine Frau gegeben, die offen zu ihrer Liebe zu Frauen stehe. Diese Position fehle im Nationalrat. Zudem sei es ihr nicht wohl beim Gedanken, dass diese wichtige Facette nicht sichtbar sei: «Die Leute sollen nicht glauben, dass ich unehrlich bin», so Funiciello. Zudem wolle sie verhindern, von Dritten geoutet zu werden. Im Privaten sei ihre sexuelle Orientierung schon lange bekannt.
Weniger Arbeitszeit
Kritik übt Funiciello an den Männern in der SP. «Die Partei ist erfolgreich, weil die Frauen dermassen gut arbeiten. Aber sichtbar sind nicht sie, sondern die lauten ‹Dudes›. Das macht mich hässig und will ich ändern», so Funiciello. Eine Revolution könne nur von den Frauen ausgehen. Das ganze gesellschaftliche System würde ohne die unbezahlte Arbeit der Frauen einstürzen, so Funiciello.
Die Verringerung der Arbeitszeit sei eine ihrer wichtigsten Forderungen. Die Löhne hielten mit der Entwicklung der Produktivität nicht mit. Mit einer Verringerung der Arbeitszeit werde die unbezahlte Care-Arbeit höher bewertet und es werde weniger «Schrott produziert, den niemand braucht». Das helfe auch im Kampf gegen den Klimawandel.
Rückkehr wegen Euro
Gegenüber dem «Magazin» gibt Funiciello auch Einblicke in ihr Familienleben. Ihr Vater war italienischer Saisonnier, der 1970 aus einem Dorf bei Neapel in die Schweiz kam. Als Funiciello drei Jahre alt war, wanderte die Familie zurück in ein Dorf nach Sardinien, wo ihr Vater als Schuhmacher gearbeitet habe.
Die Einführung des Euros habe die Existenzgrundlage zerstört, worauf die Familie in die Schweiz zurückkehrte. Ihr Vater fand Arbeit in der Maschinenfabrik Wifag, die 2011 in Konkurs ging. Seither arbeite er als Importeur italienischer Bioprodukte. Funiciellos Mutter arbeitete demnach als Detailhandelsangestellte. Funiciello selbst arbeitete im Backoffice eines Rikschaunternehmens, als Serviceangestellte, als Wahlbüromitarbeiterin der italienischen Botschaft und als Lageristin.
Als Landhockey-Goalie spielte Funiciello im Nationaleteam, mit dem sie 2007 Europameisterin wurde. «Ich wünsche mir eine Welt, in der alle Menschen leben können wie in der Schweiz», so Funiciello zum «Magazin». Sie möge die direkte Demokratie – auch wenn diese «aus revolutionärer Sicht» ein Problem darstelle, weil sie eine stabilisierende Komponente habe. «Selbst wenn man das begrüsst, heisst es natürlich, dass die Revolution kaum je in der Schweiz ausbrechen wird.»