SextortionTeenager springt nach Erpressung von Brücke
Ein 17-jähriger Schotte wird Opfer von Sex-Erpressern und nimmt sich in seiner Verzweiflung das Leben. Schweizer Experten fordern ein nationales Internet-Erziehungsprogramm für Kinder und Jugendliche.
- von
- nj
Daniel P. aus dem schottischen Dunfermline hat sich von einer Brücke gestürzt, nachdem Kriminelle ihn mit einem kompromittierenden Video erpresst haben. Ein hübsches Mädchen hatte den 17-Jährigen im Auftrag der Täter über Skype kontaktiert und ihn dazu verführt, sich in peinlicher Pose vor der Kamera zu zeigen.
Die Masche, die Daniel zum Verhängnis wurde, heisst Sextortion und ist seit diesem Jahr in der ganzen Welt verbreitet. Die Gangster – oft von der Elfenbeinküste – schreiben Buben und Männer auf sozialen Netzwerken an. Sie schieben junge, hübsche Frauen vor, die die Opfer animieren, vor der Webcam sexuelle Handlungen an sich vorzunehmen. Dann werden die Männer mit dem beschämenden Material erpresst.
Auch Daniel erhielt eine solche Nachricht. «Wenn du nicht bezahlst, schicken wir das Video an deine Freunde und deine Eltern», drohten die Täter. Und: «Falls du dich weigerst, wärst du tot noch besser dran.» Der so genötigte Jugendliche sah in seiner Panik keinen Ausweg. Nur eine Stunde nach der Erpressung sprang Daniel von einer Brücke in den Tod.
Viele suchen Hilfe bei 147
Auch Schweizer werden von den fiesen Gangstern angeschrieben. Das Fedpol geht von tausenden von Erpressungsversuchen im Jahr aus und hat eine offizielle Warnung erlassen. «Wie Daniel sind auch bei uns Jugendliche am stärksten gefährdet», sagt Chantal Billaud von der Schweizerischen Kriminalprävention. «Sie sind im Netz teilweise naiver als Erwachsene. Und eine solche Erpressung trifft sie dann auch besonders hart.» Die Teenager hätten oft kein Geld, um die Erpresser zu bezahlen und fürchten, durch die Veröffentlichung der Videos ihre Lehrstelle, Freunde und Familie zu verlieren.
Dass auch in der Schweiz einmal ein Fall so tragisch endet, wie der von Daniel, kann niemand ausschliessen. «Bei Jugendlichen sind Suizide oft Spontanhandlungen aus einer momentanen Verzweiflung heraus. Sie sehen einfach keinen anderen Ausweg mehr», sagt Marianne Affolter von Pro Juventute. Immer wieder meldet sich beim Nottelefon verzweifelte Teenager, die wegen Sex-Bildern erpresst werden. «Dass sie darauf reinfallen, kann man ihnen nicht vorwerfen. Für einen 16-Jährigen ist ein Mädchen, das mit ihm nackt skypen will, halt hoch interessant.»
Alle Kinder müssen vor solchen Maschen gewarnt werden
Affolter nennt einen Fall aus der Praxis des Nottelefons 147: Ein 15-Jähriger ruft an: Er sei jetzt grad im Chatroulette, habe eine Aufnahme von seinem Penis an die Chat-Partnerin geschickt. Jetzt sei er aufgefordert worden, eine Telefonnummer anzurufen, um zu erfahren, auf welches Konto er 100 Franken einzahlen solle. Wenn er dies nicht tue, würde der Täter das Bild überall posten. Die Mail-Adresse des Opfers bestand aus seinem Vor- und Nachnamen – man hätte seine Wohnadresse herausfinden können. Die Beraterin von Pro Juventute hat mit ihm besprochen, dass er die Daten des Täters sichert und sich an die Polizei wenden kann, damit dieser gestoppt werden kann.
Pro Juventute fordert dringend ein nationales Programm, das Kinder über die Gefahren im Internet aufklärt. Laut der Schweizerischen Kriminalprävention gibt es zwar Bestrebungen dahingehend. Diese seien aber durch das föderalistische Schulsystem in einigen Kantonen intensiver, in anderen weniger. «Es darf nicht sein, dass es auf den Wohnort oder den Lehrer eines Kindes ankommt, ob es vor solchen Maschen gewarnt wird oder nicht», kritisiert Affolter. «Die Kantone müssen alle zu ausreichender Aufklärung verpflichtet werden.»