MagenbypassTeure Übergewichts-OP – Betroffene erzählen
BMI über 35 und erfolglose Abnehmversuche – die Kriterien, damit eine Krankenkasse bis zu 30'000 Franken für die OP übernimmt, sollen angepasst werden.
- von
- F. Lindegger
Welche Leistungen sollen die Krankenkassen übernehmen? In Zeiten von laufend steigenden Prämien ist diese Frage besonders umstritten. Und sie stellt sich auch bei den jüngsten Vorschlägen des Swiss Medical Board (SMB). Das SMB befasst sich mit dem Kosten-Wirksamkeit-Verhältnis von medizinischen Eingriffen. Die Experten regen an, dass Übergewichts-Operationen künftig früher als heute getätigt werden, wie der «Tages-Anzeiger» unlängst berichtete.
Gemäss den aktuellen Vorgaben übernimmt die Kasse die Kosten für einen Magenbypass oder einen ähnlichen Eingriff, falls der Patient einen BMI von mehr als 35 hat und eine zweijährige Therapie zur Gewichtsreduktion erfolglos war.
OP kostet bis zu 30'000 Franken
Für den Krankenkassen-Verband Santésuisse ist klar: «Die neuen Empfehlungen des SMB dürfen nicht zu einem Kostensprung in der Behandlung von Übergewicht führen.» In Fällen, wo Begleiterkrankungen wie Diabetes vorlägen, könne eine frühere Übergewicht-OP in Betracht gezogen werden. Allerdings müssten die Patienten in ein Register aufgenommen werden, um eine langfristige Beobachtung der Gesundheitsfolgen zu gewährleisten, so der Krankenkassen-Verband. Laut Santésuisse kostet eine Übergewicht-OP – je nach Methode – zwischen 17'000 und 30'000 Franken.
Den Eingriff bereits hinter sich hat die 29-Jährige Desi*. Sie unterzog sich vor rund zweieinhalb Jahren einer Magenbypass-Operation. Die Krankenkasse übernahm die Kosten. Innerhalb von eineinhalb Jahren hat sie Ihr Gewicht um 70 Kilogramm gesenkt – und es seither gehalten. Sie findet, dass die heutigen Regeln nur in Ausnahmefällen gelockert werden sollten. Ein Eingriff sollte nur im Fall von extremem Übergewicht gemacht werden.
Nur noch kleine Portionen
Die OP sei bei ihr der einzige Ausweg gewesen, «es ging nicht mehr anders». Sie fühle sich heute körperlich deutlich besser und sei aktiver und sportlicher. Doch das müsse man auch sein, um nach dem Eingriff das Gewicht halten zu können. «Nach der OP ist man nicht einfach schlank und gesund.» Die OP sei wie eine Gehhilfe, laufen müsse man aber selber.
Bei einem Magenbypass wird der Magen verkleinert, zudem wird der Dünndarm umgeleitet. So können nur noch kleine Portionen gegessen werden, bevor sich das Sättigungsgefühl einstellt. «Die Portionen sind sehr klein, dafür esse ich fünf- bis sechsmal pro Tag», erklärt Desi. Eine weitere Folge: «Wenn man sich überisst, kommt es postwendend zurück.» Der verkleinerte Magen hat aber auch zur Folge, dass gewisse Stoffe oft nicht ausreichend aufgenommen werden können. So muss die 29-Jährige täglich zwei Tabletten einnehmen, um die Zufuhr an Kalzium, Vitaminen oder Spurenelementen sicherzustellen, was aber kein Problem für sie sei. Zweifel an ihrem Entscheid hatte sie nie. «Es ging anders wirklich nicht mehr.»
«Selbstvertrauen ist zurück»
Die 21-Jährige Selina* wog vor einem Jahr noch 126 Kilogramm, hatte Knie- und Rückenschmerzen und eine verfettete Leber. Anfang Februar 2016 unterzog sie sich einer Magenbypass-OP. Ihre körperlichen Probleme sind inzwischen verschwunden, wie sie sagt. «Das einzige, was ich jetzt habe, ist überschüssige Haut und einen Zinkmangel, der zu Haarausfall führte.» Den Mangel kompensiere sie mit Zinktabletten. Auch müsse sie etwa darauf achten, dass sie genügend Eiweiss zu sich nehme.
Insgesamt 70 Kilogramm hat Selina seit ihrer OP vor rund einem Jahr abgenommen. Zu Beginn habe sie an ihrem Entscheid gezweifelt, da sie viele Nahrungsmittel nicht mehr vertragen habe. Inzwischen ist sie mit ihrer Entscheidung glücklich: «Alle Strapazen haben sich gelohnt. Ich bekam wieder Lebensfreude und erhielt mein Selbstvertrauen zurück.»
* Namen der Redaktion bekannt.