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Bilder im Kopf«Träume haben immer eine Funktion»

Traumdeutung ist für viele Menschen hochspannend und aufschlussreich. Im Interview erläutert der Zürcher Psychotherapeut und Buchautor Paul Brutsche, wie die Traumdeutung funktioniert und was es mit Träumen auf sich hat.

von
Olaf Kunz

20 Minuten Online: Ist Freuds Werk „Die Traumdeutung" heute noch aktuell?

Paul Brutsche: Ja, es ist ein Werk, das heute noch Beachtung findet und das eine seriöse Auseinandersetzung mit der Traumdeutung angestossen hat. Freud sah den Traum als Produkt einer Traumarbeit während C.G.Jung ihn als unmittelbaren und unverstellten Ausdruck der unbewussten Psyche des Träumers betrachtete. Die Traumdeutung hat sich seit Freuds Werk deutlich weiterentwickelt.

Was sind Träume eigentlich?

Es handelt sich um Bilder, die sich in einem Schlafzustand bemerkbar machen. Träume haben immer die Funktion etwas zu kompensieren oder zu korrigieren und sind entscheidend für die Erhaltung des seelischen Gleichgewichts. Jeder Traum hat eine Bedeutung, auch wenn man diese nicht immer versteht.

Wieso können sich manche Menschen nicht an ihre Träume erinnern?

Woran das konkret liegt, ist immer noch nicht abschliessend beantwortet. Sicher ist, dass es eine Bewusstseinsentspannung braucht, um sich an den Traum zu erinnern. Hat man einen stressigen Tag hinter sich, ist es eher unwahrscheinlich, dass diese eintritt. Wenn man sich aber beim Einschlafen schon fest vornimmt, etwas zu träumen und sich daran erinnern zu wollen, funktioniert es auch besser.

Wie funktioniert die Traumdeutung?

Zunächst einmal wird der persönliche Kontext erfasst. Es geht darum, dass man die Assoziationen zu den Träumen erfragt. Was fällt der Person, die den Traum hatte, dazu ein. Es gibt Symbole und Inhalte, zu denen den Leuten nichts einfällt. Da kommt die Arbeit des Analytikers zum Tragen. Aus dem Fundus der bekannten Symbole und deren Bedeutung wird dem Träumer dann etwas vorgeschlagen. Dann kommt es darauf an, ob der Betreffende etwas damit anfangen kann und ob die Deutung einleuchtet.

Was halten Sie von Traumlexika?

Wenn sie offen genug bleiben und nicht zu kategorisch sind, können sie eine sinnvolle Basis sein. Auch was die Symbole und ihre Bedeutung angeht, können sie einen ersten Anhaltspunkt geben. Es ist aber wichtig, diese Interpretationen nicht eins zu eins zu übernehmen. Es kommt immer auf die jeweilige persönliche Situation des Träumers an. So gesehen können Traumlexika ein Rüstzeug sein. Etwa wie der Werkzeugkoffer eines Handwerkers.

Woran liegt es, dass die Leute meist mehr negative als positive Träume haben?

Das kommt darauf an, was man als negativ ansieht. Prinzipiell sind Träume immer positiv, auch wenn sie negative Bilder enthalten. Das gilt sogar für Alpträume. Es ist aber auch meist so, dass negative Träume besser in Erinnerung bleiben und deshalb der Eindruck entstehen kann, dass es mehr böse Träume gibt.

Dr. phil. Paul Brutsche (geb. 1943) ist seit 1975 als Jungscher Psychotherapeut in eigener Praxis in Zürich tätig. Früherer Präsident der Schweiz. Gesellschaft für Analytische Psychologie, des C.G.Jung-Instituts Zürich und des Internationalen Seminars für Analytische Psychologie, ISAP ZURICH. Er ist Lehranalytiker und Dozent am ISAP ZURICH. Schwerpunkte seiner Lehrtätigkeit sind psychologische Bilderdeutung, sowie Fragen zu Kunst und Kreativität.

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