DiskriminierungsverbotTransmenschen werden nicht vor Hass geschützt
Wer Homosexuelle diskriminiert, soll laut Ständerat bestraft werden – dasselbe gilt aber nicht für die Transidentität oder Intergeschlechtlichkeit.
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Anna Rosenwasser und Alecs Recher im Gespräch. (Video: 20 Minuten)
Der Ständerat will homo- und bisexuelle Menschen besser vor Attacken schützen. Am Mittwoch entschied er, die Anti-Rassismus-Strafnorm um den Strafbestand der Diskriminierung der sexuellen Orientierung zu ergänzen. Er folgt damit einer Initiative von SP-Nationalrat Mathias Reynard. Er kritisiert, dass das Strafgesetz nur die Diskriminierung wegen Rasse, Ethnie oder Religion unter Strafe stellt. «Es ist inakzeptabel, dass sich einige Personen gegenüber einer Gemeinschaft diskriminierend äussern können», so Reynard.
Gilt nur für die sexuelle Orientierung
Der Nationalrat entschied im September, zusätzlich zur sexuellen Orientierung die Geschlechtsidentität, auch die Diskriminierung wegen einer Transidentität oder Intergeschlechtlichkeit unter Strafe zu stellen. Der Ständerat lehnte dies jedoch ab. Wie der Bundesrat ist er der Meinung, dass die Geschlechtsidentität nicht klar fassbar sei und im Strafgesetzbuch deshalb nichts zu suchen habe.
Anna Rosenwasser, Geschäftsführerin Lesbenorganisation Schweiz: (LOS), versteht diese Entscheidung nicht: «Ich glaube auch, dass viele Menschen nicht verstehen, wie alltäglich die Diskriminierung gegen trans und inter Menschen wirklich ist. Es geht nicht nur um das Witzeln. Es geht um das Gefühl, wenn man in der Bar angestarrt wird, oder die Tatsache, dass auf der ID nicht dein echter Name und dein aktuelles Geschlecht stehen. Viele wissen auch nicht, wie viele trans und inter Menschen es gibt. Man geht davon aus, dass zehn Prozent der Bevölkerung irgendwie queer sind. Damit gibt es mehr queere Menschen, als es Bauern gibt.»
Auch Alecs Recher, Leiter Rechtsberatung vom Transgender Network Switzerland (TGNS), ist enttäuscht: «Dass Diskriminierung und Hassreden aufgrund von sexueller Orientierung strafbar werden sollen, ist toll. Dass der Ständerat, in dem notabene keine Transperson sitzt, aber sagt: ‹Es ist okay, trans und inter Menschen zu diskriminieren›, ist eine Fehlentscheidung. Trans und inter Menschen sind gleichberechtigter Teil dieser Bevölkerung. Aber sie erleben ständig Verletzungen: Transleute, die in Restaurants einfach nicht bedient werden. Oder nur auf der Strasse unterwegs sind, aber beschimpft, bespuckt und verletzt werden. 66 bis über 80 Prozent hatten in ihrem Leben deshalb schon Suizid-Gedanken. Darauf so ignorant zu reagieren, wie es der Ständerat entschied, ist eines Landes wie der Schweiz nicht würdig.»
Sehen Sie das ganze Gespräch im Video.