
Mit der aktuell auf Tiktok angesagten Technik «Girl Math» wird jeder Kauf zum Schnäppchen.
«Girl Math»So beruhigen wir unser Gewissen bei der Schnäppchenjagd
Auf Tiktok macht mit «Girl Math» eine Technik die Runde, mit der jede Anschaffung zum Sonderangebot werden soll. Eine Wirtschaftspsychologin erklärt den Trend.
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Du hast für ein Kleidungsstück mehr ausgegeben, als du eigentlich wolltest, aber rechtfertigst den Kauf jetzt mit Cost-Per-Wear? Oder du argumentierst, dass jetzt, wo du dir ein teures Styling-Tool für die Haare gekauft hast, du viel seltener zum Coiffeur gehen wirst? Dieser Gedankengang geht auf Tiktok gerade unter dem Begriff Girl Math, also Mädchenmathematik, viral.
Wer kam auf die Idee zu Girl Math?
Der Begriff taucht erstmals in einer Radiosendung aus Neuseeland auf. Im Format «Girl Math» melden sich Hörerinnen und Hörer mit ihren teuren Anschaffungen und die Moderatorinnen rechnen vor, wieso sich der Kauf gelohnt hat. In der Sendung werden Dinge wie ein Haarstyling-Gerät für mehrere Hundert Franken im Handumdrehen fast gratis oder rentieren sich sogar.
Einer Hörerin, die sich ein teures Styling-Tool gekauft hat, rechnet die Moderatorin vor, dass sie sich nun den Coiffeurbesuch und somit ganz viel Zeit spart. «Jetzt, wo du ein tolles Styling-Gerät hast, werden es auch alle deine Freundinnen für den Clubbesuch nutzen wollen. Das bedeutet als Dank gratis Drinks für dich», so die Moderatorin.
Welche Regeln befolgt «Girl Math»?
Auf Tiktok finden sich zum Thema zig Videos, der Hashtag #girlmath hat über 67,8 Millionen Aufrufe. In den Clips wird mit einem Augenzwinkern aufgezeigt, nach welchen Regeln die Budgetplanung im Kopf stattfindet. Im Ausverkauf kann dir laut Tiktokerin Dani gar Geld durch die Lappen gehen. «Wenn ich etwas aus dem Sale nicht kaufe, das ich schon sehr lange will, verliere ich Geld», findet sie. Eine weitere Regel von Girl Math ist, dass Bargeld auszugeben gar nicht zählt – da sich der Kontostand nicht ändert.
Warum finden wir «Girl Math» logisch?
Bei «Girl Math» geht es laut Wirtschaftspsychologin Dr. Sarah Seyr um unmittelbare Zufriedenstellung. Ein Phänomen, das nicht per se weiblich sei und auch kein Alter habe: «Unabhängig von Altersgruppen beschäftigen sich Menschen mit dem Dilemma zwischen Verzicht zugunsten der Zukunft versus der unmittelbaren Belohnung.»
Das Phänomen Girl Math wird in der Verhaltensökonomie auch Mental Accountig, also mentale Buchhaltung, genannt. «Mental Accounting ist allgegenwärtig – sei es beim Umgang mit Geld, beim Essen oder mit unserer Zeit», erklärt Dr. Seyr. Entscheidend sei dabei, sich der tatsächlichen verfügbaren Ressourcen bewusst zu sein.
Hältst du dich an ein Budget?
Welche Risiken birgt der Trend?
«Wir neigen dazu, Botschaften zu akzeptieren, die uns gerade gelegen kommen und eine sofortige Belohnung rechtfertigen.» Darum gehe der Trend auch so durch die Decke: Laut der Wirtschaftspsychologin suchen wir nach kreativen Ansätzen, um die harte Arbeit zu umgehen.
«Wir wünschen uns eine Realität, in der wir alles haben können, ohne Verzicht üben zu müssen. Ganz ähnlich wie die Vorstellung, die ganze Nacht aufbleiben zu können, ohne am nächsten Tag müde zu sein. Wäre es nicht wunderbar, wenn das so möglich wäre? Sozusagen den Fünfer und das Weggli?» Das Problem sei, dass Girl Math nur ein kurzfristiger Ansatz sei: «Die Grenzen dieser Denkweise werden spätestens klar, wenn die nächste Kreditkartenabrechnung oder der nächste Kontoauszug kommt.»
Hast du «Girl Math» schon in deinem Leben angewendet? Wofür?
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Schulden betroffen?
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