Beziehungsformen«Trennung ist für Paare oft sinnvoller als eine offene Beziehung»
Das Thema offene Beziehungen bewegt die 20-Minuten-Community. Laut Beziehungsexpertin Martina Rissi ist das zwar möglich, aber schwierig – oft brauche es eigentlich eine Trennung.
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Sind glückliche offene Beziehungen möglich? Das denkt ihr darüber.
Darum gehts
Lösen offene Beziehungen, in denen beide auch mit anderen Menschen Nähe und Sex erleben können, monogame Beziehungen ab?
Das Thema hat in den letzten Jahren mehr Aufmerksamkeit bekommen und beschäftigt auch die 20-Minuten-Community.
Laut Beziehungsexpertin Martina Rissi sind glückliche offene Beziehungen bis ans Lebensende zwar möglich, aber extrem schwierig – wie monogame Beziehungen auch.
Oft flüchteten Paare, die eine Weile in einer monogamen Beziehung lebten, in eine offene Beziehungen, weil sie Frustrationen erlebten – das sei aber meist der falsche Weg.
Auf Tiktok erzählt Marie (34) von der offenen Ehe mit ihrem Mann. Die Videos gehen viral und auch in der 20-Minuten-Community gibt das Thema zu reden. Sind glückliche monogame Beziehungen bis ans Lebensende überhaupt noch möglich? Und was braucht es, damit eine offene Beziehung funktioniert? Beziehungsexpertin Martina Rissi weiss Rat.
Haben Beratungen zum Thema offene Beziehung zugenommen?
Das wird oft zum Thema, wenn Frustration in der Beziehung vorhanden ist oder es zu Betrug gekommen ist, man aber trotzdem nicht loslassen möchte. Eine offene Beziehung wird dann diskutiert. Das hat in den letzten Jahren zugenommen, es ist salonfähiger geworden.
Glauben Sie an die monogame Beziehung bis ans Lebensende?
Ja, ich glaube, dass das möglich ist und dass es das gibt. Ob das klappt, ist aber von wahnsinnig vielen Faktoren abhängig und nicht zuletzt braucht es auch einfach Glück: Glück, dass man sich ungefähr im selben Tempo weiterentwickelt und dass zwei Menschen aufeinandertreffen, die fähig sind, zu kommunizieren und zu reflektieren. Und es braucht den Willen, mit Frustration umzugehen.
«Niemand will alleine sterben.»
Gilt das auch für eine offene Beziehung?
Ja, eine offene Beziehung löst nicht einfach alle Probleme, die man in einer monogamen Beziehung hatte. Diese Beziehungsform ist mindestens so anspruchsvoll und wirft genauso viele Fragen, Gefühle und innere Konflikte auf.
Was denkst du über offene Beziehungen?
Die Menschen werden immer älter. Ist es nachvollziehbar, dass man nicht mehr das ganze Leben mit einem Partner oder einer Partnerin verbringen möchte?
Ja, das Älterwerden spielt eine zentrale Rolle. Früher war man mit 20 verheiratet und hatte bald Kinder, die Tage waren gefüllt mit Arbeit und mit 50 standen die Menschen in der letzten Lebensphase und beschäftigten sich mit dem Tod. Heute steht man in dieser Zeit in der Blüte des Lebens. Niemand will alleine sterben, deshalb setzen wir in dieser Zeit oft noch einmal auf Verbindung und Nähe.
«Viele sollten sich eigentlich trennen, haben aber den Mut dazu nicht.»
Was braucht es denn, damit eine offene Beziehung funktioniert?
Meiner Erfahrung nach entscheiden die wenigsten Menschen, dass sie nur offene Beziehungen möchten, während sie Single sind. Oft kommt der Wunsch einseitig während einer bestehenden Beziehung auf; im Sinne von: «Ich möchte dich nicht loslassen, aber ich möchte die Beziehung öffnen.» Der oder die andere wird dann damit konfrontiert. Diese Konstellation ist extrem schwierig, oft sagt der Zweite dann nur aus Verlustängsten heraus ja, er oder sie flieht vor dem Trennungsgedanken. Das bringt nichts. Viele, die eine offene Beziehung eingehen, sollten sich eigentlich einfach trennen, haben aber den Mut dazu nicht.
Es kann also nur klappen, wenn schon vor der Beziehung klar ist, dass es eine offene Beziehung werden soll?
Kommen zwei Singles zusammen, die beide überzeugt sind vom Konzept der offenen Beziehung und genau das suchen, stehen die Chancen viel besser. Das muss eine Lebenseinstellung sein, frei von einer bestehenden Beziehung und der darin erlebten Frustration. Dazu braucht es sehr achtsame Kommunikation, auch mit den anderen Partnerinnen oder Partnern, wahnsinnige Ehrlichkeit und Transparenz.
«Wenn Sex okay ist – ist es dann auch okay, danach ‘Ich liebe dich’ zu sagen?»
Geht es dabei vor allem um Sexualität und Eifersucht?
Die Sexualität ist nur eine Ebene. Dann kommt etwa die Frage: Ist es okay, mit jemandem im Bett zu liegen und ihm oder ihr zu sagen «Ich liebe dich»? Mit wem verbringt man die Ferien? Beim Sex sind einige noch bereit, den Partner oder die Partnerin zu teilen, es gibt aber unzählige andere Themen, die das Potenzial haben, eine offene Beziehung zu schädigen. Oft merkt man, dass man sich in vielen Punkten nicht einig ist. Deshalb ist wichtig: Man sollte nie eine offene Beziehung eingehen, wenn man nicht tief davon überzeugt ist, dass dies die einzig richtige Beziehungsform für einen ist.
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