Vorwürfe: Türkische Luftangriffe auf Kurden in Nordsyrien

Publiziert

Kurden in NordsyrienTrotz Katastrophe sollen türkische Luftangriffe geflogen worden sein

Nach der Erdbeben-Katastrophe sind Tausende Opfer sowohl in der Türkei als auch in Syrien zu beklagen. Eine Hilfsorganisation erhebt nun schwere Vorwürfe gegen die Türkei.

20-Minuten-Reporterin Lena Wilczek erzählt von ihrem Tag in der Türkei. (Video: 20min/Lena Wilczek/noh)

Darum gehts

  • Am Montag gab es im Südosten der Türkei ein schweres Erdbeben.

  • Auch Syrien ist schwer betroffen.

  • Trotz der Krise soll die Türkei kurdische Gebiete in Nordsyrien bombardiert haben, behauptet eine kurdische Hilfsorganisation.

  • Hilfe in Syrien ist besonders dringend.

Über 8000 Menschen sind nach dem Erdbeben mit dem Epizentrum im Süden der Türkei ums Leben gekommen, die humanitäre Katastrophe ist gross, Hilfe hat noch nicht alle Gebiete erreicht. Dennoch soll die Türkei den von Kurden bewohnten Norden Syriens weiterhin bombardieren. Dies behauptet eine Mitarbeiterin der Hilfsorganisation «Kurdischer Roter Halbmond» am Dienstagabend gegenüber einer Spezialsendung des ZDF. «Wir haben gestern Nacht noch mal Nachbeben gehabt, und trotzdem wurden weiter türkische Luftangriffe geflogen.»* 

Für die Situation im Norden Syriens kommt erschwerend hinzu, dass der Verkehr über den einzigen offenen Grenzübergang von der Türkei nach Syrien, Bab al-Hawa, wegen Schäden an einer Strasse gestört sei, sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric am Dienstag in New York.

Politik beiseitelassen

Angesichts dieser verzögerten Lieferungen von humanitärer Hilfe nach Nordsyrien haben die Vereinten Nationen eine Lösung angemahnt. «Dies ist eine Gelegenheit, die Politik beiseitezulassen und sich auf das zu konzentrieren, was dringend benötigt wird, um Männern, Frauen und Kindern zu helfen, deren Leben durch eines der schwersten Erdbeben seit langem zerstört wurde, und wir hoffen, dass alle das im Hinterkopf behalten.»

1 / 5
Unzählige Rettungsteams sind bereits in der Türkei eingetroffen. Doch in Syrien ist die Lage um einiges schwieriger. Bild: Aleppo am 7. Februar. 

Unzählige Rettungsteams sind bereits in der Türkei eingetroffen. Doch in Syrien ist die Lage um einiges schwieriger. Bild: Aleppo am 7. Februar. 

AFP
Menschen in Syrien fordern nun die Aufhebung westlicher Sanktionen, um die Hilfeleistung zu erleichtern. 

Menschen in Syrien fordern nun die Aufhebung westlicher Sanktionen, um die Hilfeleistung zu erleichtern. 

AFP
Die Sanktionen gelten seit 2011, als der syrische Präsident Baschar al-Assad gewaltsam gegen Proteste vorging, was zum bis heute anhaltenden Bürgerkrieg führte.

Die Sanktionen gelten seit 2011, als der syrische Präsident Baschar al-Assad gewaltsam gegen Proteste vorging, was zum bis heute anhaltenden Bürgerkrieg führte.

AFP

Die syrische Regierung und ihr Verbündeter Russland hatten in den vergangenen Jahren einen entsprechenden UN-Hilfsmechanismus mit mehreren Übergängen Schritt für Schritt verkleinert, bis nur noch Bab al-Hawa übrig blieb. Der Grund dafür ist, dass weite Teile auf der nordsyrischen Seite der Grenze in den Händen von Rebellen sind und Damaskus diese einhegen will. Der syrische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Bassam Sabbagh, bekräftigte am Dienstag erneut, dass humanitäre Hilfe innerhalb Syriens durch Gebiete fliessen sollte, die von der Regierung kontrolliert werden. Weitere Grenzübergänge von Rebellengebieten in die Türkei sollten nicht autorisiert werden.

Hilfe für Syrien besonders dringend

Der Leiter des Syrien-Programms der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, Mark Schakal, drängt darauf,  «so schnell wie möglich» Hilfe nach Syrien zu schicken. Schakal befürchtet, dass die lokalen und internationalen Hilfsorganisationen mit der Situation in Syrien überfordert sein werden. Dort herrscht seit zwölf Jahren Bürgerkrieg, Rebellen, Dschihadisten, kurdische Kräfte und Regierungstruppen stehen sich gegenüber, Machthaber Baschar al-Assad wird von Russland und dem Iran unterstützt und vom Westen geächtet.

Unterstütze die Erdebenopfer in der Türkei und Syrien!

Die Hilfe für Syrien sei besonders dringend, da «die Lage der Bevölkerung bereits vor dem Erdbeben dramatisch war», sagt Raphaël Pitti von der französischen Nichtregierungsorganisation Mehad.  

*Hinwes der Redaktion vom 9. Februar, 15 Uhr: In einer ersten Version stand hier noch der Zusatz, dass die Luftangriffe ausgerechnet auf schwer vom Erdbeben betroffene kurdische Gebiete geflogen worden seien. Dies liess sich nicht von unabhängiger Seite überprüfen. Die Redaktion entschuldigt die Unachtsamkeit. 

Hast du oder hat jemand, den du kennst, ein Trauma erlitten?

Hier findest du Hilfe:

Pro Mente Sana, Tel. 0848 800 858

Angehörige.ch, Beratung und Anlaufstellen

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

(DPA/roy)

Deine Meinung