Nazi-VergleichTürkei setzt Journalistin aus den Niederlanden fest
Während Angela Merkel die Türkei besucht hat, ist Ankara gegen ausländische Journalisten vorgegangen.
- von
- kmo
Die Türkei geht strikt gegen kritische Äusserungen vor. Jüngstes Beispiel ist eine Journalistin aus den Niederlanden. Sie wurde am Samstagabend in der Türkei wegen Äusserungen über Präsident Recep Tayyip Erdogan zeitweise in Gewahrsam genommen. Die türkisch-niederländische Kolumnistin Ebru Umar kam am Sonntag nach rund 24 Stunden wieder frei, darf das Land aber nicht verlassen. Ihr wird vorgeworfen, die Staatsführung beleidigt zu haben, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete.
Umar arbeitet für die niederländische Zeitung «Metro». Nach deren Angaben wurde sie am Samstag in Kusadasi an der Ägäisküste zur Vernehmung in eine Polizeiwache gebracht. Veranlasst wurde dies laut Anadolu durch die Staatsanwaltschaft wegen Äusserungen via Twitter, die als beleidigend empfunden worden waren.
Umar griff zum Nazi-Vergleich
In einem Video auf der «Metro»-Website sagte Umar, sie sei in der Nacht von der Polizei geweckt worden. «Ich wurde gut behandelt, ich kann nichts anderes sagen», berichtete sie. «Ich hatte einen guten Abend mit einem 55-jährigen Mann bei einer Diskussion über Politik und die Lage in der Türkei.» Sie sei nun aber nicht ganz frei. Ein Anwalt versuche, die Reisebeschränkung zu kippen, weil sie in die Niederlande zurückkehren wolle.
Umar hatte vergangene Woche in einer Kolumne kritisiert, dass das türkische Konsulat in Rotterdam Türken in den Niederlanden aufgefordert habe, Beleidigungen gegen die Türkei oder Erdogan zu melden. Sie verglich dies mit Praktiken der Nazis in den Niederlanden zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. Auch Ministerpräsident Mark Rutte hatte sich kritisch über die Order der türkischen Behörden geäussert.
Mehrere Journalisten betroffen
Umars Festnahme erfolgte am selben Tag, an dem sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und ranghohe EU-Vertreter im türkischen Grenzgebiet zu Syrien ein Bild von der Lage der Flüchtlinge machten. Kritiker werfen Merkel und der EU vor, zu nachgiebig auf Repressalien des türkischen Staats gegen Presse- und Meinungsfreiheit zu reagieren. Gleichentags wurde dem «Bild»-Fotoreporter Giorgos Moutafis die Einreise in die Türkei verweigert – ebenso wie am vergangenen Dienstag dem ARD-Korrespondenten Volker Schwenck.
In der Türkei laufen rund 2000 Verfahren wegen Beleidigung des Staatsoberhaupts gegen Journalisten, Wissenschaftler und andere Bürger. Auch gegen den deutschen Satiriker Jan Böhmermann geht Erdogan wegen eines Schmähgedichts vor – allerdings nach deutschem Recht.
Auch deutsche Sinfoniker unter Beschuss
Derweil sorgt ein neuer Streit zwischen der EU und der Türkei für Misstöne. Die Türkei hat auf EU-Ebene gegen das Konzertprojekt «Aghet» der Dresdner Sinfoniker zum Genozid an den Armeniern vor 100 Jahren interveniert. Der türkische EU-Botschafter verlange, dass die EU die finanzielle Förderung für die internationale Produktion einstellt, sagte Intendant Markus Rindt in Dresden. Er sprach von einem «Angriff auf die Meinungsfreiheit». (kmo/sda)