Erzwungene Informationen oft nutzlosÜber den Erkenntnisgewinn durch Folter
Vernehmer haben jahrhundertelange Erfahrung darin, Gefangenen Informationen zu entlocken. Die Inquisitoren des Mittelalters spannten Hexen im Wortsinne auf die Folter. Die CIA-Agenten von heute haben ebenfalls diverse Methoden. So alt wie die Folter selbst ist auch die Frage, ob sie überhaupt etwas bringt.
- von
- Matt Apuzzo ,
- AP
Die jüngst veröffentlichten Memos des US-Justizministeriums, die die brachialen Verhörmethoden der CIA enthüllten, geben keine eindeutige Antwort. Zwar heisst es darin, sogenanntes Waterboarding, Ohrfeigen, Schlafentzug und ähnliche Techniken hätten nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 die besten Erkenntnisse erbracht. Es steht aber auch darin, dass gewaltlose Verhörmethoden häufiger Erfolg hatten als Brutalität.
2006 hatten sich Wissenschaftler und ehemalige Geheimdienstler daran gemacht zu klären, ob Folter Erfolg hat. Sie versuchten die wirkungsvollsten Verhörmethoden herauszufinden und die US-Regierung entsprechend zu beraten. Ihre Schlussfolgerungen in einem 372 Seiten umfassenden Bericht an den Direktor der Inlandsgeheimdienste wandten sich gegen Gewaltanwendung.
Fügsamkeit nicht gleich Kooperation
«Die Wissenschaft hat nie belegt, dass Verhörmethoden mit Zwangsmitteln ein wirksames Mittel sind, verlässliche Erkenntnisse zu gewinnen», schrieb der frühere Ausbilder und Luftwaffenoberst Steven Kleinman in dem Report. «Im Wesentlichen scheint es eine unbewiesene Annahme zu geben, dass 'Fügsamkeit' das Gleiche bedeutet wie 'sinnvolle Zusammenarbeit'». Einfacher ausgedrückt: Ramme jemanden gegen die Wand, halte ihn tagelang wach, sperre ihn nackt in eine Zelle und ohrfeige ihn ausreichend, dann wird er schon etwas sagen. Ob das dann stimmt, ist eine andere Frage.
Der Politikwissenschaftler Darius Rejali erinnert daran, dass nach Angaben der Briten verschärfte Verhöre von IRA-Mitgliedern Dutzende Terroranschläge verhindert hätten, es sich später aber herausgestellt habe, dass die Erkenntnisse oft nutzlos waren. «Wenn man auf Zahlen schaut, ist es oft nur unglaublich peinlich», findet der Experte vom Reed College. Auch die US-Dokumente lassen darauf schliessen, dass das härteste Vorgehen nicht immer das erfolgreichste war. Danach wurden von den 94 Terrorverdächtigen in dem CIA-Programm nur 28 drastischen Methoden ausgesetzt. Das würde bedeuten, dass zwei von drei Gefangenen nützliche Informationen im normalen Verhör preisgaben.
Noch einmal, zur Sicherheit
Wenn Folter nichts bringt, warum wurde dann das Waterboarding wieder und wieder angewandt, bei einem der Verdächtigen allein 183-mal in einem Monat? «Man denkt immer: 'Vielleicht noch einmal, und noch einmal'», versucht Rejali zu erklären, warum die Verhörspezialisten immer noch eins draufsetzten. Als Grund sieht er die Beamtenbürokratie: «Die richtige Antwort für einen Bürokraten ist es immer, zu foltern, auch wenn du weisst, dass es nichts bringt. Niemand will doch derjenige sein, der etwas hätte unternehmen können und es nicht getan hat.»
Ex-Vizepräsident Dick Cheney beharrt darauf, dass die 'verschärften Verhörmethoden' Terroranschläge abgewendet und Menschenleben gerettet haben. Er forderte die Regierung Obama auf, Dokumente freizugeben, die diesen Erfolg beweisen. Die Dokumente, auf die die Memos verweisen, nennen das Verhörprogramm «einen Hauptgrund, weshalb Al Kaida seit dem 11. September 2001 keinen spektakulären Angriff im Westen unternehmen konnte».
Schaden grösser als etwaiger Nutzen
Geheimdienstdirektor Dennis Blair erklärte vorige Woche, dass derartige Verhöre «hochwertige Informationen» erbracht und zu einem besseren Verständnis der Al-Kaida-Organisation geführt hätten. Am Dienstag ruderte er etwas zurück: «Die mit diesen Methoden erlangte Information war in einigen Fällen wertvoll, doch man kann nicht sagen, ob die selbe Information mit anderen Mitteln hätte gewonnen werden können», erklärte er.
Blairs Quintessenz: Die Foltermethoden haben dem Ansehen der USA weltweit geschadet, der Schaden überwiegt bei weitem allen etwaigen Nutzen, und derartige Methoden seien «für unsere nationale Sicherheit nicht unentbehrlich».