Ukrainische Botschafterin fordert Alain Berset auf, nach Kiew zu reisen

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«Kriegsrausch»-InterviewUkrainische Botschafterin fordert Alain Berset auf, nach Kiew zu reisen

Alain Berset sorgte mit seinen Aussagen zu Verhandlungen mit Putin für ordentlich Wirbel. Die ukrainische Botschafterin nimmt erstmals Stellung – und lädt Berset nach Kiew ein.

von
Stefan Lanz
Christof Vuille

Das Interview mit der ukrainischen Botschafterin in voller Länge.

20min/Stefan Lanz 

Darum gehts

  • Bundespräsident Alain Berset sorgte mit Aussagen zu Verhandlungen mit Russland für Wirbel. Später krebste er zurück. 

  • Jetzt nimmt erstmals die ukrainische Botschafterin in Bern, Iryna Wenediktowa, Stellung zur «Causa Berset». 

  • Wenediktowa fordert den Bundespräsidenten auf, sich in Kiew mit Selenski zu treffen. 

  • «Menschen, die den Krieg noch nie hautnah erlebt haben, haben eine andere Vorstellung davon als Menschen, die jeden Tag Raketeneinschlägen und Sirenen ausgesetzt sind», sagt sie. 

Wie reagierten Sie auf das Interview von Alain Berset am Wochenende?

Iryna Wenediktowa*: Wir freuen uns auf einen Besuch von Präsident Berset in Kiew. Ich denke, die beste Plattform, um über die Situation in der Ukraine zu sprechen, ist eben Kiew. Genau darum hat Präsident Selenski ihn auch bereits eingeladen.

Berset forderte Verhandlungen über ein Kriegsende, «je früher, desto besser». Was sagen Sie dazu?

Wir verstehen, dass 2023 in der Schweiz ein Wahljahr ist. Gewisse Äusserungen sehen wir in diesem Kontext. Ich sage das Folgende nicht als Botschafterin, sondern als politische Beobachterin: Berset machte diese Aussage als Bundespräsident und Politiker, aber seine Meinung als Privatperson mag vom Gesagten abweichen.

Würde er seine Meinung ändern, wenn er in Kiew gewesen wäre?

Es ist so: Menschen, die den Krieg noch nie hautnah erlebt haben und ihn nur aus dem Fernsehen kennen, haben eine andere Vorstellung davon als Menschen, die jeden Tag Raketeneinschlägen und Sirenen ausgesetzt sind. Die Schweiz hatte seit mehreren Generationen das Glück, von Kriegen verschont zu bleiben. Der Krieg und seine Schrecken sind nicht mehr Teil der DNA der Schweiz. Genau darum ist es für uns so wichtig, dass die Staatsoberhäupter von Angesicht zu Angesicht miteinander sprechen, idealerweise in Kiew.

Soll Alain Berset nach Kiew reisen?

Haben Sie Berset kontaktiert?

Nein.

Im Parlament wurden zwei Vorstösse zur Wiederausfuhr von Schweizer Waffen abgelehnt. Wie denken Sie darüber?

Ich bin enttäuscht über die Ablehnung. Die Wiederausfuhr von Schweizer Waffen und die Schweizer Neutralität sind zwei komplett verschiedene Dinge. Denn bis vor zwei Jahren war die Wiederausfuhr möglich. Wir wollen, dass die Schweiz unser Recht auf Selbstverteidigung nicht blockiert. Wir fragen die Schweiz ja nicht direkt nach Waffen oder Soldaten, aber die Schweiz soll andere Staaten nicht daran hindern, uns zu helfen.

Glauben Sie, dass die Schweiz ihre Haltung noch ändern wird?

Ja, davon bin ich fest überzeugt. Für uns ist nur wichtig, wann. Denn Zeit ist für einmal nicht Geld, Zeit bedeutet hier Menschenleben.

Können Schweizer Waffen überhaupt einen Unterschied machen?

Bei der Schweiz geht es um das symbolische Signal. Es geht darum, welche Haltung die Schweiz gegenüber diesem Krieg hat. Wir wissen und schätzen aber handkehrum, dass die Schweiz uns mit Geld, humanitärer Hilfe und der Entminung unseres Landes hilft.

Das Parlament hat es abgelehnt, eingefrorene Oligarchengelder der Ukraine für den Wiederaufbau zu geben. Sind Sie enttäuscht?

Nein, ich verstehe das. Das Geld ist eingefroren und es gibt keine rechtliche Grundlage, es der Ukraine zu geben. Das ist das Gesetz. Aber man könnte ein Gesetz erlassen, das es erlaubt, Geld zu konfiszieren, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Besitzer den Krieg mitfinanziert oder Kriegsverbrechen begangen haben. In Kanada haben sie ein solches Sondergesetz erlassen. Das würde ich mir auch von der Schweiz wünschen.

Das Interview in voller Länge findest du oben im Video.  

*Iryna Wenediktowa ist seit November 2022 Botschafterin der Ukraine in der Schweiz. 

Auch die EU reagiert auf Bersets Aussagen



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