St. GallenUmbenennung des Raiffeisenplatzes gefordert – «das ist völlig übertrieben»
Eine Gruppe um den Historiker Hans Fässler fordert die Umbenennung des St. Galler Raiffeisenplatzes wegen Antisemitismus. Dieser solle in «Recha-Sternbuch-Platz» umbenannt werden. Für die SVP wäre eine Umbenennung übertrieben.
- von
- Sebastian Richter
Darum gehts
Eine Gruppe um den Historiker Hans Fässler schlägt eine Umbenennung des St. Galler Raiffeisenplatzes vor.
Dem Namensgeber Raiffeisen (gestorben 1888) wird von der Gruppe Antisemitismus vorgeworfen.
Raiffeisen und SVP sehen den Vorschlag der Umbenennung kritisch.
Ein unabhängiges wissenschaftliches Gutachten soll Klarheit schaffen.
Dem 1888 verstorbenen Bankier Friedrich Wilhelm Raiffeisen werden grosse sozialreformerische Verdienste zugesprochen. Nun wird gefordert, den nach ihm in St. Gallen benannten Platz umzubenennen. Raiffeisen hat sich laut einer Gruppe um Historiker Hans Fässler zumindest dreimal ausführlich antisemitisch geäussert, beispielsweise 1881 im «Landwirtschaftlichen Genossenschafts-Blatt», so die Begründung für die Umbenennung.
Raiffeisens Positionen werden allerdings von anderen Historikern etwas anders eingeschätzt. So soll er sich zum Beispiel auch ausdrücklich für die Einstellung jüdischer Angestellter ausgesprochen haben. Unbestritten sind auch Raiffeisens wichtiger Beitrag zur Armutsbekämpfung und die Grundsteinlegung des Genossenschaftsprinzips.
Unabhängiges wissenschaftliches Gutachten in Auftrag gegeben
Als Alternative zum derzeitigen Namensgeber für den Roten Platz wird Recha Sternbuch vorgeschlagen, die sich mit der Rettung von Juden während des Nationalsozialismus sehr verdient gemacht hat.
Der St. Galler Stadtrat Markus Buschor, Leiter der Direktion Planung und Bau, sieht derzeit keine Notwendigkeit einer Umbenennung: «Raiffeisen hat ein unabhängiges wissenschaftliches Gutachten in Auftrag gegeben. Aufgearbeitet wird darin die Geschichte der Raiffeisenbewegung in der Schweiz von den Anfängen bis 1950. Sobald dieses vorliegt, wird sich die Stadt zu einer allfälligen Umbenennung des Raiffeisenplatzes äussern», so Stadtrat Buschor.
Raiffeisen und SVP sehen Umbenennung kritisch
«Als Platz, der in seinem Namen unsere Marke enthält, hat der Raiffeisenplatz für uns eine sehr grosse Bedeutung – er trägt wesentlich zu unserer Verankerung in St. Gallen bei», so Joël Grandchamp von der Raiffeisen Schweiz. Die Marke Raiffeisen sei in der Schweiz bekannt und geschätzt. «Daher ist es uns ein Anliegen, dass sich der Stadtrat bei der Prüfung des Gesuches zur Umbenennung auf eine umfassende Analyse stützt.»
Auch die SVP sieht den Vorschlag einer Umbenennung kritisch: «Für die SVP ist klar, dass eine Umbenennung des Platzes nicht erforderlich ist und völlig übertrieben wäre», so Donat Kuratli, SVP-Stadtparlamentarier in St. Gallen. «Geschichte muss aufgearbeitet werden, aber sie kann nicht mit einer Umbenennung gelöscht werden.» Auch dürfen laut Kuratli die wichtigen und positiven Lebensleistungen von Herrn Raiffeisen nicht vergessen werden. «Auch die Kosten einer Umbenennung stehen in keinem Verhältnis. Die unbestrittene Lebensleistung von Frau Sternbuch kann andernorts gewürdigt werden», so Kuratli.
Noch ein anderer Vorschlag: Sollte man den Platz offiziell Roten Platz nennen?
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Antisemitismus betroffen?
Hier findest du Hilfe:
GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus
Jüdische Fürsorge, info@vsjf.ch
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
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