Travail Suisse lanciert schwarze Liste für Firmen die gegen Lohngleichheit verstossen

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Schwarze ListeUnfairer Lohn? Ab heute kannst du deinen Arbeitgeber verpfeifen

In der Schweiz besteht weiterhin eine Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern. Travailsuisse will nun Firmen auf eine «Blacklist» setzen, wenn sie gegen das Gleichstellungsgesetz verstossen.

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Mit einer öffentlichen «schwarzen Liste» will der Arbeitnehmerverband Travailsuisse Firmen erfassen, die sich nicht an das Gleichstellungsgesetz halten.

Mit einer öffentlichen «schwarzen Liste» will der Arbeitnehmerverband Travailsuisse Firmen erfassen, die sich nicht an das Gleichstellungsgesetz halten.

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2020 betrug die nicht erklärbare Lohndifferenz zwischen Frau und Mann 7,8 Prozent – oder monatlich 717 Franken weniger für Frauen, trotz gleicher Leistung, Erfahrung und Job.

2020 betrug die nicht erklärbare Lohndifferenz zwischen Frau und Mann 7,8 Prozent – oder monatlich 717 Franken weniger für Frauen, trotz gleicher Leistung, Erfahrung und Job.

20min/Ela Çelik
Nach einem Beschluss des Parlaments mussten alle Firmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden eine Lohngleichheitsanalyse durchführen – bis Ende Juni müssen die Ergebnisse kommuniziert werden.

Nach einem Beschluss des Parlaments mussten alle Firmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden eine Lohngleichheitsanalyse durchführen – bis Ende Juni müssen die Ergebnisse kommuniziert werden.

20min/Ela Çelik

Darum gehts

  • In der Schweiz lag die nicht erklärbare Lohndifferenz im Jahr 2020 bei 7,8 Prozent – trotz Gleichstellungsgesetz.

  • Der Arbeitnehmerverband Travailsuisse lanciert nun eine «schwarze Liste», um Firmen anzuprangern, welche das Gleichstellungsgesetz nicht einhalten.

  • Ausschlaggebend dabei sind die Lohngleichheitsanalysen, welche vom Parlament angeordnet wurden und von Firmen mit über 100 Mitarbeitenden durchgeführt werden mussten.

Gegen den Arbeitgeber «täfele», weil dieser die Lohngleichheit zwischen Mann und Frau nicht einhält: Das ist ab heute möglich. Der Dachverband der Arbeitnehmenden Travailsuisse lanciert seine «schwarze Liste», auf der Unternehmen aufgeführt werden sollen, die gegen das Gleichstellungsgesetz verstossen.

Laut Bundesamt für Statistik betrug 2020 die nicht erklärbare Lohndifferenz zwischen Frau und Mann 7,8 Prozent. Für Frauen bedeutet dies 717 Franken weniger Lohn im Monat – trotz gleicher Leistung, gleich viel Erfahrung und demselben Job.

Whistleblower-Tool für anonyme Meldungen

Die Lohngleichheit ist gesetzlich vorgeschrieben, vor bald vier Jahren ordnete das Parlament zudem Lohngleichheitsanalysen an (siehe Box). Auf einer «weissen Liste» führt Travailsuisse heute bereits Unternehmen auf, welche die Lohngleichheitsanalysen sauber durchgeführt haben. Auf der schwarzen Liste sollen nun jene aufgeführt werden, die dies nicht getan haben.

«Mit dem Whistleblower-Tool können Arbeitnehmende anonym mit uns Kontakt aufnehmen und Firmen melden, die die Lohngleichheitsanalyse nicht abgeschlossen oder kommuniziert haben», erklärt Thomas Bauer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travailsuisse. Bis Ende Juni müssten alle Lohngleichheitsanalysen abgeschlossen und kommuniziert sein – mit der Lancierung der schwarzen Liste Anfang Monat wolle man den Firmen noch eine Vorlaufzeit gewähren.

Revidiertes Gleichstellungsgesetz

Am 1. Juli 2020 trat das revidierte Gleichstellungsgesetz in Kraft. Damit wurden neu alle Arbeitgebenden mit 100 oder mehr Mitarbeitenden dazu verpflichtet, alle vier Jahre eine Lohngleichheitsanalyse durchzuführen und diese von einer unabhängigen Stelle überprüfen zu lassen. Bis zum 30. Juni 2023 müssen alle Arbeitnehmenden sowie Aktionärinnen und Aktionäre über die Ergebnisse informiert werden.

«Meldungen werden genau abgeklärt»

Kann nun jeder hässige Mitarbeitende den Arbeitgeber auf die Blacklist stellen und öffentlich anprangern? Nein, versichert Bauer. «Diese Meldungen werden sehr genau abgeklärt – die gemeldeten Firmen werden dazu aufgefordert, Stellung zu beziehen», erklärt er.

Wurde die Lohngleichheitsanalyse korrekt durchgeführt, werde das Unternehmen nie auf die Liste aufgenommen. «Wurde die Analyse aber nicht rechtzeitig abgeschlossen oder kommuniziert, kommt die Firma auf die Liste – will sich die Firma nicht äussern, erfassen wir sie ebenfalls mit einem entsprechenden Vermerk», sagt Bauer.

Würdest du deine Firma verpfeifen, wenn sie unfaire Löhne zahlt?

Sanktionen und korrigierte Lohndifferenzen

«Das Parlament verzichtete explizit darauf, Sanktionen oder die Überprüfung der Einhaltung der Lohngleichheitsanalysen im Gesetz zu verankern – das ist sehr stossend», kritisiert Bauer. Im Parlament sind derweil mehrere Vorstösse hängig, die Sanktionen, mehr Transparenz und Lohnkorrekturen fordern.

Travailsuisse fordert, dass in einem ersten Schritt die Analysen flächendeckend und vollständig durchgeführt werden – im zweiten Schritt sollen die Lohndifferenzen korrigiert und damit die Lohndiskriminierung reduziert werden.

«Schaumschlägerei»

Nicht begeistert über die Liste zeigt sich der Gewerbeverband SGV. Ähnliche Vorschläge zu Listen und Sanktionen seien bereits im Parlament gescheitert, sagt Hans-Ulrich Bigler, Direktor des SGV. «Was auf dem ordentlichen politischen Weg nicht umsetzbar ist, will Travailsuisse jetzt mit der Brechstange durchsetzen – das ist ein verwerfliches Verhalten», sagt er.

Zudem würden Arbeitnehmende gemäss Obligationenrecht einer Treuepflicht unterstehen – das öffentliche Verpfeifen des Arbeitgebers dürfte diese verletzen, so Bigler. Auch zweifle er daran, dass Travailsuisse die Meldungen seriös überprüfen könne: «Das Ganze läuft auf einen Pranger für die Unternehmen und eine Schaumschlägerei von Travailsuisse hinaus.» 

Arbeitgeberverband: «Überwiegende Mehrheit hält Gesetze ein»

Auch der Arbeitgeberverband kritisiert das Vorhaben: «Eine schwarze Liste, auf der ohne effektiven Nachweis eine Lohndiskriminierung angeprangert wird, ist absurd», sagt Mediensprecher Jonas Lehner. Erste publizierte Analysen würden bereits jetzt zeigen, dass eine überwiegende Mehrheit der Betriebe das Gleichstellungsgesetz einhalten würden.

Zudem habe der Arbeitgeberverband ein externes Forschungsinstitut beauftragt, die Löhne von über 600 Unternehmen in der Schweiz zu untersuchen. «Wir können schon jetzt sagen, dass die Ergebnisse sehr positiv sind», so Lehner.

Wirst du oder wird jemand, den du kennst, aufgrund der Geschlechtsidentität diskriminiert? 

Hier findest du Hilfe:

Gleichstellungsgesetz.ch, Datenbank der Fälle aus Deutschschweizer Kantonen

Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann

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