Umdenken«Unsere Banken sollten dem Gemeinwohl dienen»
Wer alles besitze, werde besessen, sagt Bankenkritiker Christian Felber. Im Interview spricht er über Wettbewerbsdenken und die Schwächen der direkten Demokratie.
- von
- I. Strassheim

Autor des Wirtschaftsbuchs 2014: Christian Felber.
Christian Felber, in Ihrem Buch «Geld» fordern Sie demokratische Banken ohne Sparzinsen und mit sozialer und ökologischer Kreditprüfung. Sie sind radikal und haben dennoch den Preis für das Wirtschaftsbuch des Jahres 2014 bekommen. Wie das?
Weil immer mehr Menschen klar wird, dass es ein ganz neues System braucht. Der Devisenskandal ist nur der jüngste einer Endlosreihe von Bankenskandalen. Alle zeigen das Grundproblem: Die Geldhäuser verfolgen das falsche Ziel. Unsere Banken und generell alle Unternehmen sollten grundsätzlich dem Gemeinwohl dienen – wie Schulen, Universitäten oder Gesundheitshäuser.
Ihre Kernthese ist, dass die Wirtschaft den menschlichen Bedürfnissen dienen soll, tut sie das nicht?
Das oberste Ziel von Unternehmen ist heute der Finanzgewinn, das passt nicht mit unseren Staatsverfassungen zusammen. Diese sagen einstimmig, dass das übergeordnete Ziel der Wirtschaft das Gemeinwohl ist. Das vorrangige Streben nach Geld zerstört die Beziehungen und das Vertrauen und führt zu Konkurrenz statt zu Kooperation.
Braucht es nicht Konkurrenz und Profitstreben, um die Wirtschaft am Laufen zu halten?
Keineswegs. Das Wettbewerbsdenken ist uns Menschen nicht angeboren, es wurde uns anerzogen – von der Nationalökonomie und der sozialdarwinistischen Ideologie. Keine Philosophie und keine Religion nennt Konkurrenz als positiven Wert. Wissenschaftliche Studien zeigen zudem, dass Kooperation Menschen stärker motiviert. Wettbewerb motiviert an erster Stelle über Angst. Es ist keine intelligente Wahl, wenn wir uns 40 Jahre acht Stunden pro Tag lang von Angst antreiben lassen.
Was soll Ihre Gemeinwohlbilanz, die ethisches Verkaufen, gerechte Verteilung der Arbeit oder Nachhaltigkeit von Unternehmen bewertet?
Heute messen wir den Erfolg von Unternehmen und Staaten per Finanzbilanz und Bruttoinlandprodukt. Diese Erfolgsindikatoren messen jedoch nur das Mittel – das Geld – und nicht das Ziel. Die von uns entwickelte Bilanz misst dagegen Beziehungs- und Verfassungswerte, die das Gemeinwohl fördern. In unseren Wirtschaftsbeziehungen sollten Grundwerte belohnt werden.
Lässt sich die Gemeinwohlbilanz umsetzen?
Mehr als 200 Unternehmen haben das bereits getan, darunter auch erste aus der Schweiz. Auch öffentliche Einrichtungen zeigen zunehmend Interesse, zuletzt haben eine Hochschule aus Österreich und die Lausanne Business School die Bilanz erstellt.
Sie schlagen auch vor, das Privatvermögen auf 10 Millionen Euro zu begrenzen. Das Eigentumsrecht ist jedoch ein Pfeiler unserer Verfassung und unseres Wirtschaftssystems.
Auch die Sexualität ist heilig, und dennoch gibt es Grenzen, um die gleichen Rechte aller zu schützen. Das Grundrecht bleibt gewahrt, aber nicht grenzenlos. Wer allzu viel besitzt, wird besessen. Haben Sie schon einmal versucht, eine Milliarde Dollar auszugeben? Ab einer bestimmten Grenze macht mehr Geldbesitz keinen Sinn mehr, gefährdet aber die gleichen Freiheiten anderer.
Sie sind generell für basisdemokratische Entscheide. Was halten Sie von der Ecopop- und Goldinitiative?
Es sind sehr begrenzte Einzelfragen, um die es da geht, mir schweben umfassende Konvente vor, die die Geld- und Wirtschaftsordnung von Grund auf erneuern. Eine der Schwächen der jetzigen direkten Demokratie ist auch, dass immer nur über einen Vorschlag und nicht über verschiedene Varianten abgestimmt wird. Das fiel besonders bei der 1:12-Initiative auf, wo nicht auch der Vorschlag 1:20 von Klaus Schwab zur Wahl stand.
Der Gemeinwohlökonom
Geldschöpfung und das Bankensystem auseinander und macht eine Reihe von Vorschlägen für eine neue Geldordnung.
Ethik zum Bilanzposten machen. Auch in der Schweiz beginnen sich Firmen dem anzuschliessen.
www.ecogood.org
www.schweiz.gwoe.net