«Urin floss durch den Raum»

Aktualisiert

«Urin floss durch den Raum»

Das harte Durchgreifen der Luzerner Polizei gegen eine unbewilligte Demonstration haben auch zahlreiche 20minuten.ch-Userinnen und –User am eigenen Leib erfahren. Im Feedback schildern sie ihre Erlebnisse.

André G.*: «Ich war ein Passant, wohne circa 250 Meter vom Vögeligärtli entfernt. Ich wurde trotz Rückfrage bei der Verhaftung nicht über den Grund der Verhaftung informiert. Beim Transport in den Sonnenberg war ich gefesselt und auf Knien am Boden des Kastenwagens. Ich war etwa eine Stunde so auf den Knien mit starken Schmerzen - ich leide unter Kniearthrose und wurde trotz Mitteilung so weitertransportiert. Im Bunker selbst gab es keinen Zugang zu Toiletten, die Gefangenen urinierten mit der Zeit in die Massenzellen, da es keine andere Möglichkeit gab».

Flavio L.*: «Es wurden alle, die sich in dem öffentlichen Park befanden, zusammengetrieben. Dann begannen die Polizisten einzelne Personen aus der Menge zu zerren und zu schlagen. Neben mir wurde jemand weggerissen und als ich etwas mitgezogen wurde, wurde mir sogleich eine offene Hand ins Gesicht geschlagen. Meine Brille flog davon.»

Rolf S.*: «Da so gut wie niemand aufs WC konnte, standen wir bald in unserer eigenen Pisse. Es herrschten völlig chaotische Zustände. Die Luft war stickig und in seinen Winterkleidern ging man vor Hitze beinahe ein. Wir bitteten einen Polizisten, doch für kurze Zeit die Zellentüre zu öffnen. Er reichte uns durchs Fenster zwei leere Pet-Fläschchen und meinte, hier habt ihr Frischluft.»

Martina T.*: «Der Boden in den Zellen war kahler Beton. Es gab keine Matten, Decken oder ähnliches, obwohl einzelne über 6 Stunden darin ausharren mussten. Ich und eine weitere Frau mussten sehr dringend aufs WC. Es wurde aber immer gesagt, dies sei erst möglich, wenn man an der Reihe sei zur Fichierung. Als die Schmerzen der Blase unerträglich wurden und wir bereits in eine Ecke am Ende des Eingangstunnels urinieren wollten - nach insgesamt bereits 5 Stunden ohne WC - wurden wir davon abgehalten und es ging dann doch noch schneller.»

Jason M.*: «Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass so was in der Schweiz möglich ist. Ich habe am ganzen Körper mehr oder weniger blaue Flecken und voll eins ins Schienbein gekriegt, dass ich zusammengesackt bin wie ein Sack Kartoffeln.»

Philipp J.*: «Durch einen Greifftrupp wurde ich relativ grob aus den Menschen gezogen. Zudem wurde ich am Hals gewürgt und von etwa drei Beamten auf den Boden gedrückt.»

Cyrill P.*: «Ich sass in einer Zelle, in der eine Raumtemperatur von mehr als 36 Grad herrschte. Es stank, da ein Nebenraum als Toilette herhalten musste. Mit mir waren etwa 50 weitere Verhaftete auf einem Raum von 28 m2 zusammengepfercht. Ich war dort etwa sieben Stunden lang. Es gab keinen Platz zum Liegen oder den Rücken an einer Wand zu entspannen. Urin floss durch den Raum, nur ein Becher Wasser für die Zelle, keine Möglichkeit, auf die Toilette gehen zu können. Es war menschenunwürdig!»

* Name der Redaktion bekannt

Die «Aktion Freiraum» hat am Samstagabend, 1. Dezember zu einem «Strassenfest» gegen die Schliessung des Luzerner Kulturhauses BOA aufgerufen. Die Veranstaltung auf öffentlichem Grund (Vögeligärtli) war unbewilligt. Rund 400 Polizisten verhafteten insgesamt 245 Leute. «Jeder wusste, dass im Vögeligärtli eine unbewilligte Demonstration stattfinden würde», begründete Ernst Röthlisberger, Kommandant der Stadtpolizei Luzern, das harte Durchgreifen. Deshalb verzichtete er darauf, die auf dem Platz anwesenden Personen dazu aufzufordern, ihre Besammlung wieder aufzulösen. Der Einsatz war «zwar massiv aber begründet», ist er überzeugt.

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