Vagina-ForschungNeuartiger Vagina-Chip soll beim Entwickeln von Medikamenten helfen
Vaginas stellen für Forschende im Labor eine grosse Herausforderung dar. Denn sie lassen sich nicht einfach durch tierische ersetzen. Ein Chip soll nun helfen.
- von
- Fee Anabelle Riebeling
Darum gehts
Die bakterielle Vaginose ist eine Krankheit, die viele Frauen betrifft, Fachleuten aber noch immer Rätsel aufgibt.
Ein Grund dafür ist, dass es im Labor an Vagina-Modellen fehlt.
US-Forschende haben nun einen Chip entwickelt, der die mikrobielle Umgebung des weiblichen Geschlechtsorgans nachahmt.
Mit dessen Hilfe sollen nun potenzielle Medikamente getestet werden.
«Vagina auf einem Chip» – so haben Forschende der Harvard University ihre Entwicklung getauft, die Licht in einen noch weitgehend unerforschten Bereich bringen soll: die Vagina. Der Silikon-Chip ist rund zweieinhalb Zentimeter lang und enthält Vaginalzellen, die von zwei Frauen gespendet wurden.
Der Chip ahmt die mikrobielle Umgebung des weiblichen Geschlechtsorgans nach, kann auf schwankende Östrogenspiegel sowie Bakterien reagieren – also auf Einflüsse, denen auch echte Vaginas ausgesetzt sind. «Der Chip ist realistischer als andere Labormodelle des Organs», zitiert Nytimes.com den Bioingenieur und Forschungsleiter Don Ingber. Er verhalte sich fast genauso wie eine Vagina, heisst es im Fachjournal «Microbiome».
Behandlung von Vaginose verbessern
Die starke Ähnlichkeit ist wichtig, um menschliche Vaginas besser zu erforschen. Denn bisher stellen sie für Forschende im Labor eine grosse Herausforderung dar: Sie lassen sich nicht einfach durch tierische ersetzen, weil die Besiedlung durch Mikroorganismen eine völlig andere ist als die von Labortieren. Während die Vagina gesunder Menschen zu etwa 70 Prozent aus Laktobazillen besteht – einer Bakterienart, die Zucker verdaut und Milchsäure produziert – machen Laktobazillen bei anderen Säugetieren selten mehr als ein Prozent des vaginalen Mikrobioms aus.
Der Vagina-Chip soll bei der Entwicklung von Medikamenten gegen unter anderem bakterielle Vaginose helfen. Dabei handelt es sich um ein Ungleichgewicht des vaginalen Mikrobioms, das Millionen Frauen anfälliger für sexuell übertragene Krankheiten macht und das Risiko einer Fehlgeburt erhöht (siehe Box).
So äussert sich eine bakterielle Vaginose
Bei einer bakteriellen Vaginose - kurz: Vaginose - finden sich in der Vagina vermehrt Bakterien, die dort normalerweise nur vereinzelt vorkommen. Es handelt sich dabei nicht um eine Infektion durch ein Bakterium: Sie entsteht, wenn das natürliche Scheidenmilieu aus dem Gleichgewicht gerät. Laut dem Öffentlichen Gesundheitsportal Österreichs ist jede fünfte von 100 Frauen davon betroffen. Gut die Hälfte der Patientinnen klagen typischerweise über grau-weissen Ausfluss (Fluor), der vermehrt, schaumig oder dünnflüssig sein kann. Dem Fluor haftet ein unangenehmer, meist fischiger Geruch an. Es kann zu Juckreiz und Hautreizungen kommen. Auch werden gelegentlich Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder Wasserlassen festgestellt.
Potenzial zur Revolutionierung der Frauengesundheit
In der von der Bill-&-Melinda-Gates-Stiftung finanzierten Studie konnten Ingber und sein Team zeigen, dass das Vaginagewebe im Chip positiv auf einen Cocktail von Laktobazillen reagierte: Es entstand ein saures Milieu, das sie vor Infektionen schützt. Wurde eine andere Bakterienart, die mit Vaginalinfektionen in Verbindung gebracht wird, auf dem Chip kultiviert, ohne dass Laktobazillen vorhanden waren, nahm die Entzündung zu und die Zellen wurden schnell geschädigt.
Achyuta Nori, Arzt für sexuelle Gesundheit an der St. George's University of London, der nicht an der Studie beteiligt war, bezeichnet den Chip gegenüber Scientificamerican.com als echten Fortschritt: «Er könnte die Art und Weise, wie wir Medizin praktizieren, verändern.» Derzeit sei die Qualität der Nachweise für die meisten Frauengesundheitsthemen «sehr, sehr schlecht.» Das könne man nun ändern.

Mithilfe der «Vagina auf einem Chip» wollen Forschende die Behandlungsmöglichkeiten von zum Beispiel bakterieller Vaginose verbessern.
Kopplung von Organ-Chips und Individualisierung
Am Vagina-Chip wird jedoch auch Kritik geübt: Der Ansatz der sogenannten Organ-Chips betrachte Organe isoliert und nicht in Verbindung mit dem restlichen Körper. Mögliche Rückkopplungen von anderen Organen würden so nicht berücksichtigt, sagt etwa Ruth Mackay von der Brunel University London, die ebenfalls nicht Teil des Forschungsteams war.
Laut Ingber ist das aber auch nicht unbedingt nötig. Zudem könne der Vagina-Chip für grössere Prozesse wie Schwangerschaften mit weiteren Organ-Chips verbunden werden, etwa mit einem, der den Gebärmutterhals simuliert. Das Team arbeite bereits daran, so der Bioingenieur. Weiter habe das Team bereits damit begonnen, die unterschiedlichen Mikrobiome von Personen zu untersuchen, indem es deren persönliche Bakteriengemeinschaften mit Vaginalabstrichen von Spendern auf den Chip lädt.
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