Prozess in Frankreich - Valérie Bacot tötete ihren Mann und Vergewaltiger – nun droht ihr lebenslang

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Prozess in FrankreichValérie Bacot tötete ihren Mann und Vergewaltiger – nun droht ihr lebenslang

Daniel Polette war ihr Stiefvater, dann ihr Ehemann – 23 Jahre lang hat der Mann die heute 40-jährige Valérie Bacot misshandelt und vergewaltigt. Bis sie ihn 2016 mit einem Schuss tötete.

von
Karin Leuthold
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Der Prozess gegen Valérie Bacot hat am 21. Juni 2021 in Chalon-sur-Saône in Ostfrankreich begonnen.

Der Prozess gegen Valérie Bacot hat am 21. Juni 2021 in Chalon-sur-Saône in Ostfrankreich begonnen.

AFP
Erst wurde Bacot von ihrem Stiefvater jahrelang vergewaltigt und geschlagen, dann heiratete er sie und zwang sie schliesslich zur Prostitution. 2016 tötete die Angeklagte ihren Peiniger. 

Erst wurde Bacot von ihrem Stiefvater jahrelang vergewaltigt und geschlagen, dann heiratete er sie und zwang sie schliesslich zur Prostitution. 2016 tötete die Angeklagte ihren Peiniger.

AFP
Zum Prozessauftakt vor dem Schwurgericht berichtete Bacot von der «extremen Hölle», die sie seit ihrem zwölften Lebensjahr durchlitten hatte. Schon mit zwölf sei sie vom damaligen Partner ihrer Mutter vergewaltigt worden.

Zum Prozessauftakt vor dem Schwurgericht berichtete Bacot von der «extremen Hölle», die sie seit ihrem zwölften Lebensjahr durchlitten hatte. Schon mit zwölf sei sie vom damaligen Partner ihrer Mutter vergewaltigt worden.

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Darum gehts

  • In Frankreich hat am Montag der Prozess gegen die 40-jährige Valérie Bacot begonnen.

  • Die Frau hatte 2016 ihren Ehemann getötet, nachdem dieser sie 23 Jahre lang erniedrigt, geschlagen und vergewaltigt hatte.

  • Im Internet sammelt eine Gruppe Unterschriften, die die Freiheit der Angeklagten fordert.

Was Valérie Bacot in ihrem Leben durchgemacht hat, beschreibt sie als «extreme Hölle» - doch es ist noch nicht vorbei: Die 40-Jährige steht seit Montag vor dem Schwurgericht von Chalon-sur-Saône in Ostfrankreich, weil sie ihren Peiniger tötete. Sollte sie dafür verurteilt werden, droht ihr lebenslange Haft.

Bacot war erst zwölf Jahre alt, als Daniel Polette, der Partner ihrer Mutter, begann, sie zu vergewaltigen. Nach einer Haftstrafe wegen Missbrauchs kehrte Polette ins Haus der Mutter zurück - und die Gewaltspirale ging von vorne los. «Dabei hatte er meiner Mutter versprochen, dass er mich nicht anfassen würde», sagt die Angeklagte vor Gericht. Der 42-jährige Polette vergewaltigte die inzwischen 17 Jahre alte Valérie so oft, bis sie schwanger wurde. Statt sie zu unterstützen, warf die Mutter ihre Tochter aus dem Haus.

«Zuerst waren es Ohrfeigen, dann Tritte und Schläge. Er würgte mich. Später bedrohte er mich mit seiner Waffe.»

Valérie Bacot

Der Stiefvater nahm sich der schwangeren Minderjährigen an. «Ich hatte niemanden und wollte mein Kind behalten», meint Valérie, als sie versucht zu erklären, wieso sie damals sofort zustimmte, als Polette ihr anbot, als Paar zusammen zu ziehen. «Ich litt unter der Abwesenheit eines Vaters, also musste es so sein», sagt sie. Als die Angeklagte von der Vorsitzenden des Gerichts, Céline Therme, gefragt wird, ob sie Polette jemals geliebt habe, meint Valérie nur: «Ich habe immer das getan, was er mir gesagt hat

«Zuerst waren es Ohrfeigen, dann Tritte und Schläge. Er würgte mich. Später bedrohte er mich mit seiner Waffe. Er würde mir die Pistole gegen den Kopf setzen und sagen: ‹Das nächste Mal werde ich nicht verfehlen›», erzählt Valérie dem Gericht unter Tränen. «Er sagte auch, ich dürfe vor allem nicht schreien, das würde alles nur noch schlimmer machen.»

Polette schaut seiner Frau beim Sex mit Lkw-Fahrern zu

In der Zwischenzeit hatte das Paar vier Kinder bekommen. «Die ältesten fragten mich, wieso sie meinen Namen tragen und nicht den Danys», schildert Valérie weiter. Also heiratete sie ihren Peiniger.

Die verbalen Aggressionen waren an der Tagesordnung, wie «Le Point» berichtet. «Eine Taugenichts», die nur als Prostituierte etwas wert sei, sagte der Alkoholiker zu Valérie. Er baute den Minibus der Familie um und liess seine Frau an einer Raststätte anschaffen. Er bot sie Lkw-Fahrern für 20 bis 50 Euro an. Polette sass vorne und kontrollierte durch ein Loch, das er in die Trennwand gemacht hatte, dass «sie alles richtig macht». Gefiel ihm ihre Leistung nicht, gab er ihr Anweisungen.

Einen Schuss in den Nacken und Daniel Polette ist tot

An einem Sonntag - es ist der 13. März 2016 - kündigte Polette an, dass sie an dem Abend «diesen groben Mann» bedienen müsse. Selbst Polette soll Angst vor «ce brut» gehabt haben, sagt Valérie. Aus Sicherheit packte sie die Pistole ihres Ehemanns ein. Doch an dem Tag kam auch ihre 14-jährige Tochter Karline zu ihr und erzählte, dass der Vater sich erkundigt habe, ob sie «sexuell aktiv» sei. Valérie schauderte es: Ihrer Tochter könnte das gleiche Schicksal wie ihr blühen. An dem Abend erschoss die damals 36-jährige Valérie Bacot ihren 61-jährigen Ehemann und Peiniger Daniel Polette mit einem Schuss in den Nacken.

Die Leiche im Wald vergraben

Nach dem Mord an Daniel Polette helfen zwei Kinder und der Freund einer der Töchter des Paares, die Leiche in einem Waldstück zu begraben. Alle drei wurden 2019 bereits zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, weil sie ihrer Mutter geholfen hatten. Die vier Komplizen schwiegen monatelang. Erst 2017 erstattete die Mutter des Freundes der Tochter Anzeige bei der Polizei.

«Ich wollte sie retten», versichert die Angeklagte dem Schwurgericht. «Gab es keinen anderen Ausweg?», fragte daraufhin die Gerichtsvorsitzende. «Ich weiss es nicht. Ich suche noch nach einer Lösung.»

Der Prozess ist bis Freitag geplant. Ihre Anwälte fordern einen Freispruch. Bacot habe «25 Jahre lang extreme Gewalt erfahren», sagte ihre Anwältin Janine Bonaggiunta. «Das kann eine verzweifelte Frau zum Töten treiben, um selbst zu überleben.» Mehr als 625'000 Menschen haben die Online-Petition «Freiheit für Valérie Bacot!» unterschrieben.

Kinder sprechen von «Terror»

Am Dienstag wurden die Kinder der Angeklagten im Prozess gegen Valérie Bacot befragt. Laut «France 3» sagte Tochter Camille, dass sie und ihre Geschwister vom Vater terrorisiert worden seien. Auch ihre Mutter habe in ständiger Angst gelebt, so Camille. Am 13. März 2016 soll sie ihren Kindern angekündigt haben: «Ich habe es satt. Ich werde etwas unternehmen, der Moment ist gekommen.»

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?

Hier findest du Hilfe:

Polizei nach Kanton

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

Online- und Einzelchatberatung für Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder

Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche

Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein

Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer

LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147


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