Munitionslager Mitholz: VBS kann Anwohnern wegen Geldmangel keine Grundstücke mehr abkaufen

Aktualisiert

Munitionslager MitholzVBS kann Anwohnern wegen Geldmangel keine Grundstücke mehr abkaufen

Die Räumung des Munitionslagers Mitholz ist seit Jahren ein Dauerthema. Weil eine Parlamentskommission den Entscheid zum Milliarden-Kredit für ein Jahr sistiert hat, kann das VBS nun keine Häuser mehr aufkaufen. Auch beim Umzug sind die Mitholzer auf sich allein gestellt.

von
Benedikt Hollenstein
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Die Einwohner von Mitholz sehen sich mit einem neuen Problem konfrontiert.

Die Einwohner von Mitholz sehen sich mit einem neuen Problem konfrontiert.

Tamedia AG / Beat Mathys
Eigentlich versprach das VBS, ihnen ihre Grundstücke und Häuser abzukaufen. Wegen einem aufgeschobenen Entscheid ist nun aber die Geldquelle versiegt.

Eigentlich versprach das VBS, ihnen ihre Grundstücke und Häuser abzukaufen. Wegen einem aufgeschobenen Entscheid ist nun aber die Geldquelle versiegt.

20min/Simon Glauser
Ein im zweiten Weltkrieg angelegtes Munitionslager war 1947 explodiert, neun Menschen starben. Im Berg befindet sich noch immer intakter Sprengstoff.

Ein im zweiten Weltkrieg angelegtes Munitionslager war 1947 explodiert, neun Menschen starben. Im Berg befindet sich noch immer intakter Sprengstoff.

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Darum gehts

  • Wegen einem nahegelegenen alten Munitionslager müssen die Anwohner von Mitholz einen neuen Wohnort suchen.

  • Eigentlich sollte das Verteidigungsdepartement (VBS) die Häuser und Grundstücke den insgesamt 51 Betroffenen abkaufen.

  • Doch die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats hat die Räumung nun auf Eis gelegt und verlangt, dass der Bund neben der Räumung weitere Varianten prüft. Darum gerät der Plan des VBS ins Stocken.

Im Ort Mitholz im Kandertal verwandeln sich immer mehr Gebäude in Geisterhäuser. Der Grund ist so versteckt, wie er gefährlich ist: Im zweiten Weltkrieg war in Mitholz ein unterirdisches militärisches Munitionslager gebaut worden. 1947 kam es darin zu Explosionen, wobei neun Menschen ums Leben kamen. Explodiert war ein Teil der eingelagerten rund 7000 Bruttotonnen Munition. Ein weiterer Teil konnte daraufhin geräumt werden.

Laut einer Schätzung befinden sich in den eingestürzten Anlageteilen und im Schuttkegel davor noch bis zu 3500 Tonnen Munition mit mehreren Hundert Tonnen Sprengstoff. Im Dezember 2020 beschloss der Bundesrat, dass die Munitionsrückstände spätestens ab 2031 geräumt werden sollen. Schon jetzt haben fünf Familien den Ort verlassen, bei weiteren läuft derzeit die Umsiedlung, wie in der SRF-Sendung «Schweiz aktuell» berichtet wird.

VBS gab schriftliche Kaufzusagen ab

Doch jetzt präsentiert sich für die insgesamt 51 betroffenen Personen ein neues Problem: Weil es an Geld fehle, könne das Verteidigungsdepartement (VBS) den Leuten nicht mehr, wie eigentlich vereinbart war, die Häuser und Grundstücke abkaufen. Zwar habe das Departement schriftliche Kaufzusagen abgegeben, doch auch beim Umzug seien die Bewohnerinnen und Bewohner von Mitholz auf sich alleine gestellt.

Eigentlich ist für die Umsiedlung dieses Jahr ein Budget von 50 Millionen Franken vorgesehen. Wie Recherchen von «Schweiz aktuell» zeigen, sind die Gelder aber momentan blockiert. Schuld sei ein Beschluss der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats. Diese habe sich dazu entschlossen, den Entscheid zum Budget für die Räumung von Mitholz, das insgesamt 2,6 Milliarden Franken betragen soll, zu vertagen.

Gelder könnten ein ganzes Jahr nicht fliessen

Im Klartext könnte sich der Entscheid zum Budget also über ein Jahr verzögern. Ein Jahr, in dem die Einwohnerinnen und Einwohner keinen Rappen des Geldes sehen könnten, dass eigentlich für die Umsiedlung eingeplant ist. Denn das VBS will die Varianten «Überdeckung» und «Verkapselung» prüfen – womöglich kommt es also gar nie zur kompletten Räumung der gefährlichen Munitionsrückstände, wegen der die Anwohnenden in Mitholz ihre Häuser und ihr bisheriges Leben verlassen müssten. Ein ETH-Experte schloss im August 2021 eine Verkapselung als Option noch kategorisch aus. 

«Wir dürfen die Liegenschaften nicht mehr kaufen. Jetzt gibt es für alle Beteiligten eine ganz schwierige Situation, weil man nicht mehr weiss, was eigentlich richtig wäre», sagt Adrian Gotschi, der Leiter des Projekts Räumung Mitholz beim VBS, gegenüber «Schweiz aktuell».

«Zermürbender Zustand der Unsicherheit»

Einwohner reagieren bestürzt auf den Zahlungsstopp. «Jetzt heisst es einfach, es gibt kein Geld mehr – wir wissen überhaupt nicht, ob wir jemals Geld bekommen. Das kann es doch nicht sein. Wir bezahlen die Zeche hier», sagt etwa Markus Rupp, der in Mitholz Kühlanlagen herstellt. Die Interessensgemeinschaft Mitholz kritisiert den Entscheid derweil aufs Schärfste: «Durch den Zahlungsstopp werden die Betroffenen wieder in einen ‹zermürbenden Zustand der Unsicherheit› versetzt, nachdem man sich über die vollständige Räumung längst einig war».

Eine offizielle Stellungnahme der Sicherheitskommission dazu gibt es nicht, Kommissionsmitglied und SVP-Nationalrat Erich Hess will aber mit einem Nachtragskredit in der Höhe von 50 Millionen Franken ab Sommer wieder Liegenschaftskäufe ermöglichen. Er bezeichnet die Sistierung der Mitholz-Räumung trotz akutem Geldmangel als «der richtige Entscheid» – schliesslich gehe es um 2,6 Milliarden Franken. 

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