Missbrauch?: «Verbiete meiner Tochter ein Praktikum zu machen»

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Missbrauch?«Verbiete meiner Tochter ein Praktikum zu machen»

Praktikanten würden mit Dumpinglöhnen gestandenen Arbeitnehmern den Job streitig machen, sagt eine Betroffene. Arbeitgeber halten dagegen.

D. Pomper
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D. Pomper
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Weil eine Bäckerei Maturandinnen zu einem tieferen Stundenansatz angestellt haben soll, hätten andere Angestellte zu Hause bleiben müssen, erzählt eine 52-jährige Betroffene. (Symbolbild)

Weil eine Bäckerei Maturandinnen zu einem tieferen Stundenansatz angestellt haben soll, hätten andere Angestellte zu Hause bleiben müssen, erzählt eine 52-jährige Betroffene. (Symbolbild)

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Für die Unia-Jugendsekretärin Kathrin Ziltener ist der Fall klar: «Es ist nicht akzeptabel, dass Arbeitgeber Praktikanten als Billigarbeiter einsetzen und so Kosten sparen und Lohndumping betreiben.»

Für die Unia-Jugendsekretärin Kathrin Ziltener ist der Fall klar: «Es ist nicht akzeptabel, dass Arbeitgeber Praktikanten als Billigarbeiter einsetzen und so Kosten sparen und Lohndumping betreiben.»

Arno Burgi
Fredy Greuter vom Schweizerischen Arbeitgeberverband kontert: «In der Schweiz gibt es – im Gegensatz zu anderen Ländern – keine «Generation Praktikum». Hierzulande würden Praktika den Weg zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis ebnen. «Ziel der Arbeitgeber ist es nicht, mittels Praktikanten Kosten einzusparen.»

Fredy Greuter vom Schweizerischen Arbeitgeberverband kontert: «In der Schweiz gibt es – im Gegensatz zu anderen Ländern – keine «Generation Praktikum». Hierzulande würden Praktika den Weg zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis ebnen. «Ziel der Arbeitgeber ist es nicht, mittels Praktikanten Kosten einzusparen.»

Keystone/Gaetan Bally

Cornelia D.* aus dem Kanton Bern ist sauer. Nach vielen Kurzzeiteinsätzen und Kündigungen hatte die 52-Jährige endlich eine Teilzeitstelle in einer Bäckerei gefunden. In der Stunde verdiente sie 20 Franken. Im Sommer aber sei dann die Überraschung gekommen. «Viele Maturaabgängerinnen wollten einen Job oder ein Praktikum, ein bisschen schnuppern, Arbeitserfahrung sammeln. Alles gut, dachten wir, endlich kommt in den Sommermonaten Hilfe», schreibt sie in der Unia-Gewerkschaftszeitung «Work» in einem Leserbrief.

Aber: Die jungen Frauen hätten mit 16 Franken Stundenlohn unter ihrem Stundenansatz gearbeitet. «Wir durften zu Hause bleiben. Das Monatseinkommen war nicht mehr garantiert – für einige von uns ein grosses Problem.» Auch die jungen Frauen hätten von diesem Lohn nicht leben könnten. Ihre Eltern hätten für sie weiterhin die Krankenkasse bezahlt. «Dafür leisteten sich einige ein ‹Reisli› auf ferne Kontinente für Sprachaufenthalte.»

«Besser eine Lehre machen als ein Praktikum»

D. findet: «Wir Eltern sollten den Jungen vor Augen halten, welche schädlichen Nebenwirkungen gewisse Jobs und Praktika haben.» Deshalb hat die Bernerin ihrer Tochter, die gerade die Matura gemacht hat, verboten, ein Praktikum anzunehmen. Wer nicht wisse, was studieren, solle in der Zwischenzeit besser eine Lehre machen.

Für die Unia-Jugendsekretärin Kathrin Ziltener ist der Fall klar: «Es ist nicht akzeptabel, dass Arbeitgeber Praktikanten als Billigarbeiter einsetzen und so Kosten sparen und Lohndumping betreiben.» Sie rät Betroffenen, sich in solchen Fällen an die Gewerkschaften zu wenden. Generell sollen keine Praktikumsverträge abgeschlossen werden, die keinen Ausbildungszweck beinhalten.

Laut Ziltener nimmt das Thema ‹prekäre Arbeitsbedingungen während Praktika› zu. Einerseits müssten Jugendliche vermehrt schon vor einer Lehre Praktika absolvieren, etwa in Kindertagesstätten. Oder Studenten müssten sich nach Abschluss von Praktikum zu Praktikum hangeln.

«In der Schweiz gibt es keine ‹Generation Praktikum›»

Nehmen Praktikanten gestandenen Arbeitnehmern mit Dumpinglöhnen den Job weg? Fredy Greuter vom Schweizerischen Arbeitgeberverband verneint. «In der Schweiz gibt es – im Gegensatz zu anderen Ländern – keine «Generation Praktikum». Hierzulande würden Praktika den Weg zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis ebnen. «Ziel der Arbeitgeber ist es nicht, mittels Praktikanten Kosten einzusparen», sagt Greuter.

Für ein gelungenes Praktikum müssten im Urteil des Schweizerischen Arbeitgeberverbands Dauer und Ausbildungsziele des Praktikums festgelegt werden. Ein Praktikum dauere häufig zwischen drei und zwölf Monaten. Der Praktikant sollte von einer Ansprechperson betreut werden und habe Anrecht auf ein Zeugnis. Das Kontrollsystem gegen Missbräuche, das auch von den Sozialpartnern getragen wird, funktioniere nachweislich. So könnten in Gesamtarbeitsverträgen Lohnniveaus vorgegeben werden. «Unabhängig davon kontrollieren kantonale Aufsichtsbehörden regelmässig, ob die Löhne in den Unternehmen branchen- und ortsüblich sind», sagt Greuter. Von diesen Kontrollen seien Praktika nicht ausgeschlossen.

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