Linsmayer liest «Die Krume Brot» von Lukas Bärfuss: «Verdammt cool und lesenswert»

Der bekannte Schweizer Literaturkritiker Charles Linsmayer rezensiert für 20 Minuten regelmässig Neuerscheinungen und Klassiker.

Der bekannte Schweizer Literaturkritiker Charles Linsmayer rezensiert für 20 Minuten regelmässig Neuerscheinungen und Klassiker.

20min/Ela Çelik
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Linsmayer liest«Verdammt cool und lesenswert»

In seiner Literaturkolumne rezensiert Charles Linsmayer für 20 Minuten Neuerscheinungen und Klassiker. Dieses Mal: «Die Krume Brot» von Lukas Bärfuss.

Charles Linsmayer
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Charles Linsmayer

Liest du diesen Roman, weil ihn ein Träger des höchsten deutschen Literaturpreises, des Büchner-Preises, geschrieben hat, wird dich das Ungelenk-Zornige, Kümmerliche daran ärgern. Dabei ist gerade das das Grossartige! Bärfuss lässt nämlich für «Die Krume Brot» die literarische Kunstfertigkeit beiseite und erzählt unverfälscht aus der Optik der Arbeiterin Adelina. Einer Analphabetin, die um 1968 in Zürich von Unglück zu Unglück taumelt, mal am Fliessband, mal als Barmaid jobbt und von Arbeitgebern und Hausbesitzern, besonders aber von Liebhabern nichts als Ausbeutung und Missbrauch erlebt.

Lukas Bärfuss: «Die Krume Brot. Roman», 224 Seiten, Fr. 29.- Rowohlt, Hamburg 2023

Lukas Bärfuss: «Die Krume Brot. Roman», 224 Seiten, Fr. 29.- Rowohlt, Hamburg 2023

Rowohlt

Einer zieht Leine, als sein Kind geboren ist, einer spielt Retter und entpuppt sich als Pädophiler, der es auf ihr Kind abgesehen hat, einer verwickelt sie in den Terrorismus. Sodass sie am Ende, in einem dubiosen Prozess freigesprochen, so wenig Chancen sieht, sich noch eine Krume Brot verdienen zu können, dass sie das Kind zur Adoption freigibt. Auch wenn sie längst auch andere Sprachen sprechen: Schicksale wie dieses gibt es wirklich in der Schweiz, und es ist verdammt cool und unbedingt lesenswert, was Lukas Bärfuss, der auch schon als Gabelstapler gearbeitet hat, sich einfallen lässt, damit diese unglückliche und in unserem reichen Land chancenlose Adelina genau so, wie sie denkt und fühlt, die Stimme erheben kann! Letztlich stellt er ihr dann aber doch sein virtuoses Erzähltalent zur Verfügung und macht das Ganze auch noch ganz schön spannend!

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