KlimaforscherVerheerende Mega-Fluten bedrohen Kalifornien
Alle 200 Jahre wird Kalifornien von verheerenden Mega-Fluten heimgesucht. Die Stürme der letzten Tage könnten die Vorboten sein.
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Die kalifornischen Stürme haben ganze Landschaften überflutet und Erdlöcher gegraben. In einer Grube ist ein Auto versunken. (Video: Tamedia/AFP)
Im nördlichen Kalifornien ist am Mittwoch die Sonne wieder durch die Wolkendecke gedrungen. Die von massivsten Regenfällen und Überschwemmungen gebeutelten Bewohner atmen auf – aber das tun sie vielleicht zu früh. Noch diesen Winter oder in einem der folgenden Jahre wird der bevölkerungsreichste US-Gliedstaat mit einiger Wahrscheinlichkeit eine Jahrhundertflut mit schlimmsten Auswirkungen erleben.
Die schlimme Voraussage machen laut «The Verge» die beiden Klimaforscher Michael Dettinger und Lynn Ingram. Nach einem von ihnen verfassten Artikel von 2013 kommt es in Kalifornien im Schnitt alle 200 Jahre zu massiven Überflutungen. Die letzte, historisch grösste trug sich im Winter von 1861/1862 zu.
Tausende Tote
Damals regnete es 43 Tage lang ununterbrochen, schreiben die Autoren. Kaliforniens fruchtbares Central Valley wurde in einen riesigen See verwandelt. Tausende Menschen ertranken, Hunderttausende Rinder verendeten. Die Regierung des Gliedstaats musste temporär von Sacramento nach San Francisco zügeln.
Ein Team des «US Geological Survey» hat vorauszusagen versucht, wie sich eine entsprechende Menge Regen heute auswirken würde. Die «ARkStorm» (Arche-Sturm) getaufte Simulation ergab eine fast 500 Kilometer lange und 32 Kilometer breite Überschwemmungszone im zentralen Tal Kaliforniens. An der Küste werden viele Städte überflutet. Winde fegen mit bis zu 180 Stundenkilometern über eine Landschaft, wo Erdrutsche viele Strassenverbindungen unterbrechen.
Bald eine neue Episode
Die Simulation schloss keine Opferzahlen ein, doch Dettinger und Ingram schätzen, dass wiederum Tausende von Menschen sterben würden. Sie fürchten eine Wiederholung des Desasters im 19. Jahrhundert: «Es scheint, dass in Kalifornien bald eine neue Katastrophe ansteht.»
Das Ausmass des Regens, das in den vergangenen Wochen Dutzende von Stauseen bis über den Rand des Fassungsvermögens brachte, hat mit dem Wetterphänomen des «atmosphärischen Flusses» zu tun. Dieser 1998 geprägte Begriff bezeichnet einen 350 bis 400 Kilometer breiten und über 1600 Kilometer langen Luftstrom, der mit Wasserdampf gesättigt ist.
«Atmosphärischer Fluss»
Wie der Extremwetter-Experte Marty Ralph «The Verge» erklärte, trägt ein «Atmospheric River» so viel Wasser vom Pazifik an die Küste wie 20 Mississippi-Ströme. Stösst der «atmosphärische Fluss» auf die Gebirge in Küstennähe, drängt es die Luft nach oben, wo sie sich abkühlt und der Wasserdampf zu massiven Regenwolken kondensiert. «Dieses Jahr ist für uns ganz klar sehr ungewöhnlich nass», sagt Ralph.
Typischweise bescheren pro Jahr ungefähr neun «atmosphärische Flüsse» Kalifornien starke Niederschläge. Seit dem ersten Oktober 2016 haben sich bereits 30 solcher Wasserdampf-Ströme über dem Gliedstaat entladen, sagt Ralph. Noch handle es sich nicht um einen Sturmserie vom Typus ARkStorm, glaubt der Wissenschaftler. «Aber das heisst nicht, dass es nicht eines Tages stattfinden könnte – es wäre sehr tragisch.»
Die Fluten stellen einen extremen Kontrast zur Trockenheit dar, die Kalifornien in den vergangenen fünf Jahren mit ausserordentlicher Wasserknappheit plagte. Doch dieses Muster – ausgesprochene Dürre, abgelöst von Feuchtigkeit und Überflutungen – entspreche den Erwartungen, sagte der Erdforscher Noah Diffenbaugh von der Stanford-Universität zu «The Verge». Seine Schlussfolgerung ist ernüchternd: «Es ist genau das, was Klimamodelle für die Zukunft voraussagen.»
Nach einem Jahrzehnt kommt im Lake-Berryessa-Stausee ein runder Überlauf zum Einsatz:
Der Stausee Lake Berryessa in Kalifornien ist erstmals seit 10 Jahren so voll, dass sein Ablauf zum Einsatz kommt. (Video: Evan Kilkus via Storyful)
(Video: Evan Kilkus via Storyful)