Schweiz: Eritreische Spione in Migrationsbehörde SEM

Aktualisiert

Vermeintliche DolmetscherIn der Schweizer Migrationsbehörde arbeiten eritreische Spione

Wenn Geflüchtete in ihrem Zielland ankommen, wähnen sie sich in Sicherheit. Was aber, wenn der Dolmetscher in der Migrationsbehörde als Spion für das Land arbeitet, aus dem man floh?

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In der Schweizer Migrationsbehörde SEM bespitzeln eritreische Dolmetscher Geflüchtete. 

In der Schweizer Migrationsbehörde SEM bespitzeln eritreische Dolmetscher Geflüchtete. 

20min/Sébastien Anex

Darum gehts 

  • Geflüchtete aus dem afrikanischen Staat Eritrea wollen häufig der dort vorherrschenden Diktatur entfliehen. 

  • Wenn sie vor dem Schweizer Migrationsamt vorsprechen, sind sie auf Dolmetscher angewiesen. 

  • Teilweise handelt es sich bei diesen aber um Spione aus ihrem Heimatland, die vertrauliche Informationen an das Regime weitergeben. 

Viele Geflüchtete verlassen ihr Heimatland, weil sie politisch verfolgt werden – und ihnen Haft und/oder Folter drohen. Europa scheint ihnen dann als die Insel der Seligen, zu Recht gehen sie davon aus, sich dort sicher fühlen zu können. Meistens ist das auch so, manchmal aber eben nicht: Denn in manchen Fällen verfolgen einen Spione aus dem Heimatland sogar bis in die Migrationsbehörde des Landes, in das man geflüchtet ist. 

Wie die «Aargauer Zeitung» berichtet, stehen mehrere eritreische Dolmetscher der Schweizer Migrationsbehörde im Verdacht, als Spione für das dort herrschende Regime zu arbeiten. Sie sollen streng vertrauliche Aussagen der Geflüchteten direkt an die dortigen Behörden weitergeleitet haben. So beispielsweise im Fall von Yohannes, der eigentlich anders heisst. Der heute 30-Jährige flüchtete 2016 in die Schweiz, lebt heute in Zürich. Als er damals vor der Migrationsbehörde vorsprach, hatte er schnell das Gefühl, dass mit dem ihm zugeteilten Dolmetscher etwas nicht stimmt.

Irgendwann sparte er bestimmte Sachverhalte aus 

Dabei war er anfangs noch mit einem Vertrauensvorschuss in das Gespräch gestartet: «Ich dachte das erste Mal in meinem Leben, dass ich ehrlich sein kann und mir jemand zuhört.» In seiner Heimat dagegen sei er grundlos verhaftet und gefoltert worden – «eingekerkert, geschlagen und misshandelt wie ein Tier». Als Yohannes offen über seine Vergangenheit in Eritrea sprechen wollte, herrschte ihn der Dolmetscher immer wieder an, er solle bloss nichts Schlechtes sagen über sein Heimatland. Er verharmloste und beschönigte seine Aussagen.

Irgendwann entschloss sich Yohannes, bestimmte Dinge gar nicht mehr zu erzählen – vor allem, wenn es um die politische Situation in Eritrea ging. Über seine Fluchthelfer und den Aufenthaltsort seiner Verwandten sprach er dennoch – was sich hinterher als Fehler herausstellen sollte. Denn wenige Wochen später bekam seine Familie Besuch von den lokalen Behörden abgestattet, wurde verhört und sollte Geld zahlen. Unter Druck erzählten seine Eltern, dass sie Yohannes und seinen Cousin finanziell unterstützen – vom Cousin hat er seither nichts mehr gehört. 

Ehemalige Agentenausbildung 

Yohannes ist nicht der Einzige, der diese Erfahrung mit seinem Dolmetscher gemacht hat. Die «Aargauer Zeitung» sprach sogar mit einem Mann, der damals für das eritreische Regime arbeitete und nun in der Schweiz lebt. «Ich habe sechs Jahre Agenten in Eritrea ausgebildet, die nur ein Ziel hatten: die Propaganda des eritreischen Regimes zu verbreiten.» Er bildete laut eigener Aussage 1500 Agenten aus, so lange, bis er irgendwann selbst Angst hatte, zur Zielscheibe zu werden. Auch er flüchtete in die Schweiz. 

Das Staatssekretariat für Migration (SEM ) nimmt laut eigener Aussage die Vorwürfe sehr ernst und hat ein grosses Interesse, die Fälle schnellstmöglich zu untersuchen. Es sei aber wichtig, dass die betroffenen Personen sich direkt beim SEM oder der Polizei melden würden. Generell würden alle Personen, die als Dolmetscher arbeiteten, gründlich geprüft. Wie genau die Prüfung aussieht, wurde nicht gesagt. Für viele Betroffene kommt das allerdings zu spät.  

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