Zermatt VS«Verschwundener» Gemeindeschreiber Daniel Anrig sitzt in Zürich in U-Haft
Daniel Anrig ist nicht verschwunden. Der scheidende Gemeindeschreiber von Zermatt ist in Untersuchungshaft.
- von
- Lucas Orellano
- Simon Ulrich
- Michelle Ineichen
Darum gehts
Der Zermatter Gemeindeschreiber Daniel Anrig verschwand kürzlich von der Bildfläche – obwohl er noch bis Ende Dezember angestellt ist. Wie eine Quelle aus dem Umfeld des 50-Jährigen sagt, sitzt der abtretende Gemeindeschreiber und ehemalige Kommandant der Schweizergarde im Vatikan in Zürich in U-Haft.
Dies bestätigt auch die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft: «Das Verfahren steht mit einer Beziehungsproblematik im Zusammenhang», sagt Sprecher Erich Wenzinger.
Es seien keine Gewalttätigkeiten im Sinne von Körperverletzung oder Tätlichkeiten Gegenstand der Ermittlungen. Der Beschuldigte befindet sich gemäss Wenzinger seit dem 7. November in U-Haft. Es gilt die Unschuldsvermutung.
«Es geht ihm nicht gut»
«Es geht ihm entsprechend nicht so gut», sagt Max Imfeld, der Anwalt von Anrig. Er betont, dass es sich bei den Vorwürfen ausschliesslich um eine Familienangelegenheit handle und es weder Tätlichkeiten noch Verletzte gegeben habe. Zudem habe das Ganze nichts mit seiner Tätigkeit als Gemeindeschreiber oder mit Zermatt zu tun. «Die Öffentlichkeit ist hier nicht betroffen», so Imfeld.
Die Gemeindepräsidentin von Zermatt sei vor zwei Wochen über die U-Haft informiert worden und um Vertraulichkeit gebeten worden. Imfeld erhebt deshalb schwere Vorwürfe: «Das Vorgehen der Gemeindepräsidentin ist höchst problematisch. Sie hat eine Medienlawine ausgelöst. Denn ohne die Fake-News über das Untertauchen wäre der Umstand, dass er in U-Haft ist, nicht öffentlich geworden.»
Die Gemeinde Zermatt war auf Anfrage von 20 Minuten nicht erreichbar.
Polizei suchte nach Anrig
Seit November 2020 amtete der 50-Jährige als Gemeindeschreiber von Zermatt – bis das Arbeitsverhältnis im Oktober überraschend aufgelöst wurde. Über die Gründe ist bislang wenig bekannt: Gemeindepräsidentin Romy Biner-Hauser sagte gegenüber dem «Walliser Bote» lediglich, dass die Trennung «in gegenseitigem Einvernehmen» erfolgt sei und Anrig eine «berufliche Neuorientierung» anstrebe.
Noch bis Ende Dezember 2022 hätte Anrig seine Tätigkeit als Gemeindeschreiber weiterführen sollen. Doch von Anrig fehlte plötzlich jede Spur. Weder ging er ans Handy, noch beantwortete er E-Mails. Laut Informationen des «Walliser Bote» schaltete die Gemeinde letzte Woche die Polizei ein.
Kritik aus dem Vatikan
Anrig bekleidete in seiner beruflichen Karriere diverse wichtige Führungsfunktionen: Er war unter anderem Chef der Kriminalpolizei des Kantons Glarus, Kommandant der päpstlichen Schweizergarde sowie Chef der Flughafen-Stabsabteilung der Kantonspolizei Zürich.
Wie der italienische «Corriere della Sera» schreibt, hat Anrig zu seiner Zeit als Kommandant der päpstlichen Schweizergarde für Unmut gesorgt. Er soll «Kasernenmethoden» an den Tag gelegt haben. Sein Stil sei zu autoritär gewesen. Anrig konterte damals, er habe seit seinem Amtsantritt am 1. Dezember 2008 «zahlreiche Reformen» umgesetzt, die das Leben der Gardisten erleichtern würden.
Zudem stand Anrig im Zentrum eines der grössten Polizeiskandale der Schweiz. Medienberichten zufolge war er 2003 als Chef der Kriminalpolizei Glarus mitverantwortlich für eine umstrittene Razzia wegen Menschen- und Drogenhandel in einem Asylbewerberheim. Das Strafverfahren endete mit einem Freispruch für Anrig.
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Polizei nach Kanton
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche
Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein
Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Beratungsstellen für gewaltausübende Personen
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