Linksautonome vor GerichtVerteidiger versuchen Verhandlung zu sabotieren
Ein Sachschaden über 150'000 Franken und Angriffe auf Polizisten: In Basel müssen sich 18 Linksautonome wegen Ausschreitungen an einer unbewilligten Demo im Juni 2016 verantworten.
- von
- lha
18 junge Erwachsene müssen sich seit Mittwoch vor dem Basler Strafgericht verantworten. Sie sollen im Rahmen eines unbewilligten Demonstrationszugs am Abend des 24. Juni 2016 Sachschäden in der Höhe von über 150'000 Franken verursacht und mehrere Polizisten angegriffen und verletzt haben. Die Hauptverhandlung konnte am Mittwoch erst mit Verzögerung beginnen. Über 50 Aktivisten aus der linksautonomen Szene demonstrierten vor dem Strafgericht ihre Solidarität mit den Angeklagten.
Die Hauptverhandlung stand am ersten Tag unter dem Zeichen zahlreicher Beweisanträge und scharfer Kritik der Verteidiger an die Adresse der Staatsanwaltschaft und des Gerichts. «Die Anklage liest sich wie ein rechtsbürgerliches Manifest», so Verteidiger Stephan Bernard. Sie sei durchsetzt von abwertenden Begriffen und in hohem Masse vorverurteilend. «Die Anklageschrift ist wie aus der Boulevardpresse», schloss sich Advokat Andreas Noll an. Mehrere Verteidiger forderten vergebens, dass das Verfahren ausgesetzt oder wegen Vorverurteilung und gar Befangenheit des Gerichts gar ganz eingestellt wird.
«Das war keine Tat eines Mobs»
Die Staatsanwaltschaft wirft den 18 Beschuldigten kollektiv qualifizierte Sachbeschädigung, Angriff, mehrfache Körperverletzung und weitere Tatbestände vor. «Das war keine Tat eines Mobs, sondern von Einzelpersonen, die sich aus dem Demonstrationszug gelöst hatten», so Noll. «Die Beschuldigten sind Individuen, für die die Unschuldsvermutung gilt, und kein homogener Mob, wie die Anklage suggeriert.»
Die «Massenbeschuldigung» nach dem Prinzip «Mitgegangen, mitgefangen» ist rechtsstaatlich heikel und wird von Strafverteidigern scharf kritisiert. «Mit dieser Taktik will man versuchen, von der Notwendigkeit eines individuellen Tatverschuldens abzulenken», sagte Strafrechtler Alain Joset gegenüber der «Tageswoche». Auch an der Hauptverhandlung rügten Verteidiger diese Verletzung des Anklageprinzips.
Einschlägige Vorstrafen und ein Alibi
Wer sich was zuschulden hat kommen lassen, geht tatsächlich nicht aus der Anklage hervor. «Sie fassten gemeinsam den Entschluss, nachher möglichst viel und grossen Sachschaden zum Nachteil möglichst vieler Geschädigter zu verursachen», wirft ihnen die Staatsanwaltschaft vor. Die jungen Krawallmacher, die zum Tatzeitpunkt zwischen 18 und 29 Jahre alt waren, kamen für die Schlacht aus der halben Schweiz angereist. Mehrere Linksautonome stammen aus den Kantonen Luzern, Bern und Zürich.
Sechs der Beschuldigten kassierten auch schon bedingte Vorstrafen für einschlägige Delikte, deren Bewährungszeit noch nicht abgelaufen ist. Einer war an den Ausschreitungen einer Reclaim-the Streets-Demo in Zürich im Jahr 2014 beteiligt, ein Luzerner hatte im Juli 2016 versucht, einen Gefangenen zu befreien, der ausgeschafft wurde.
Mindestens eine Beschuldigte hat ein Alibi für die Tatzeit. «Meine Klientin hat ihre Stadt an dem Tag nie verlassen. Hätte die Polizei ihr Handy ausgewertet, hätte sie realisiert, dass es sich nicht um einen möglicherweise versteckten Aufruf zu einer Demonstration handelt, sondern dass sie die SMS an die Mitglieder ihrer Theatergruppe verschickt hat», erklärte ihre Verteidigerin Manuela Schiller «gegenüber der Republik».
Urteilseröffnung nach Kritik verschoben
Staatsanwaltschaft und die 18 Verteidiger werden ihre Plädoyers im Verlauf der Woche halten. Wann das Dreiergericht unter dem Vorsitz von Dominik Kiener sein Urteil sprechen wird, ist noch nicht bekannt. Nach Kritik am engen Zeitplan – vorgesehen war die Urteilseröffnung für kommenden Dienstagnachmittag – verschob Kiener diese auf ein noch nicht bekanntes Datum.
Am 24. Juni 2016 wurde die Polizei von linksextremen Aktivisten bei einer unbewilligten Demonstration angegriffen. Mehrere Chaoten konnten verhaftet werden.
Ein Augenzeuge filmte die Ausschreitungen. (Video: Leser-Reporter)