Jugendstrafgesetz: Jugendliche Mörder – Bundesrat fordert Verwahrung schon für 16-Jährige

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JugendstrafgesetzJugendliche Mörder – Bundesrat fordert Verwahrung schon für 16-Jährige

Bei Mord soll neu schon eine Verwahrung für 16-Jährige möglich sein. Fachleute kritisieren die Pläne des Bundesrates scharf, da sie einen Bruch mit dem heutigen Jugendstrafrecht darstellen würden.

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Wenn sie nach der Haft im Jugendgefängnis immer noch als gefährlich beurteilt werden, sollen jugendliche Mörder in Zukunft verwahrt werden können. 

Wenn sie nach der Haft im Jugendgefängnis immer noch als gefährlich beurteilt werden, sollen jugendliche Mörder in Zukunft verwahrt werden können. 

Nicola Pitaro
Beim heutigen Jugendstrafrecht stehen Schutz, Fürsorge und Erziehung im Vordergrund. So auch hier im Jugendgefängnis Dietikon ZH. 

Beim heutigen Jugendstrafrecht stehen Schutz, Fürsorge und Erziehung im Vordergrund. So auch hier im Jugendgefängnis Dietikon ZH. 

Nicola Pitaro

Darum gehts

  • Nachdem das Jugendstrafrecht im Fall eines jugendlichen Mörders an seine Grenzen kam, soll es eine Verwahrung für Jugendliche geben.

  • Ständerat Andrea Caroni ist zusammen mit dem Bundesrat die treibende Kraft hinter der Verschärfung.

  • Fachleute warnen davor, dass die Verwahrung die Arbeit mit den Jugendlichen erschweren könnte.

Werden bald schon 16-Jährige verwahrt? Darüber entscheidet der Ständerat am Donnerstag. Im Fokus hat er dabei Jugendliche, welche einen Mord begangen haben. Wir sagen dir, was du dazu wissen musst.

Bei welchen Straftaten soll eine Verwahrung ab 16 Jahren zum Zug kommen?

Es können nur Jugendliche verwahrt werden, welche im Alter von 16 oder 17 Jahren einen Mord verübten. Dies ist in der Schweiz sehr selten. Gemäss dem Bundesrat wurden in der Schweiz in den Jahren 2010 bis 2020 zwölf Jugendliche wegen Mordes verurteilt. Davon wären nur vier für eine Verwahrung infrage gekommen.

Darum will der Bundesrat neu auch 16-Jährige verwahren

Bei minderjährigen Straftätern kommt das Jugendstrafrecht zum Zug. Am 25. Geburtstag enden gemäss diesem aber alle Massnahmen – egal, welche Straftat sie begangen haben. Stellen sie auch dann noch eine ernsthafte Gefahr dar, fehlen laut dem Bundesrat heute in Einzelfällen Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung.

Was ist der Auslöser der Debatte?

Ein jugendlicher Mörder aus dem Kanton Aargau. Er wurde auch dann noch als gefährlich beurteilt, nachdem alle Jugendstrafmassnahmen ausgelaufen waren. Die Justiz hat für ihn eine fürsorgerische Unterbringung angeordnet. Diese Schutzmassnahme wurde jedoch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wieder aufgehoben, da in der Schweiz dafür keine gesetzliche Grundlage existiere. FDP-Ständerat Andrea Caroni hat daraufhin eine Motion eingereicht, um das Jugendstrafgesetz zu verschärfen.

Jugendanwälte und Psychiater warnen vor einer Verwahrung

Anders als bei Erwachsenen steht im Schweizer Jugendstrafrecht nicht die Tat im Vordergrund, sondern der Täter oder die Täterin. «Wir haben eines der besten Jugendstrafgesetze, die es gibt. Unsere Hauptaufgaben sind Erziehung, Schutz und Fürsorge», sagt Dorothea Stiefel, Co-Leiterin des Zentrums für Kinder- und Jugendforensik an der Uni Zürich. 


Auch Patrick Killer, leitender Jugendanwalt der Stadt Zürich, meint, dass die Verwahrung eine reine Sicherungsmassnahme sei und somit ein klarer Bruch mit den Prinzipien des heutigen Jugendstrafrechtes. «Steht eine Verwahrung im Raum, kann dies die Arbeit mit den Jugendlichen negativ beeinflussen», so der Jugendanwalt. 


Er gibt weiter zu bedenken, dass Jugendliche in der Pubertät auf Druck oft mit Gegendruck oder einer Trotzreaktion reagieren. «Mit dem Damoklesschwert der Verwahrung im Rücken kann es gut sein, dass sie gar nicht mehr mitmachen.» Eine Möglichkeit sei, dass die Jugendlichen ihr Verhalten anpassten und es schwierig werde, mit ihnen zu den Kernthemen vorzudringen.

Findest du eine Verwahrung für 16- und 17-Jährige sinnvoll?

Prognose zur Entwicklung der Jugendlichen ist schwierig

Einer der schwierigsten Punkte bei der Verwahrung sei die Prognose. Darin sind sich die Fachleute einig. So gibt die forensische Psychiaterin Stiefel zu bedenken: «Ich kann die Entwicklungen der Jugendlichen nicht so weit vorhersagen. Sie sind mitten in der pubertären Entwicklung und verändern sich enorm in dieser Zeit.» 

Jugendanwalt Killer räumt ein, dass es eine Lösung für die Einzelfälle brauche und über Möglichkeiten der Kontrolle nach dem 25. Lebensjahr nachgedacht werden müsse. «Es muss aber eine Lösung sein, welche die Arbeit mit den jugendlichen Straftätern nicht erschwert und eine Perspektive zur gesellschaftlichen Integration bietet», so Killer.  


Der Ständerat berät die Anpassung des Jugendstrafgesetzes am Donnerstag.

Verwahrung bei Erwachsenen

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