Polizist rastet auf A1 aus: «Verwerflich, den Mann öffentlich anzuprangern»

Aktualisiert

Polizist rastet auf A1 aus«Verwerflich, den Mann öffentlich anzuprangern»

Ein Winterthurer Polizist hat auf der A1 einen Autofahrer übel beschimpft. In den sozialen Medien wird der Mann nun selbst zur Zielscheibe.

von
Jennifer Furer

Auf der Autobahn A1 rastet ein Mann mit Polizeischild um den Hals aus und beschimpft einen anderen Autofahrer. (Video: Leser-Reporter)

Ein Video, das einen Polizisten zeigt, der einen Autofahrer beschimpft und ihm Sätze wie «dich mache ich fertig, du verdammtes A****loch» an den Kopf wirft, sorgt derzeit für Schlagzeilen. Die Stadtpolizei Winterthur hat den Mann inzwischen von seinem Dienst suspendiert, die Kantonspolizei Zürich hat ein Verfahren gegen ihn eingeleitet.

Für einige Nutzer von Instagram, Facebook und anderen Social-Media-Plattformen sind die Mechanismen des Schweizer Rechtsstaates, die nach der Veröffentlichung des Videos in Gang gesetzt wurden, offensichtlich nicht genug. In den Kommentaren rufen sie zur Selbstjustiz auf, verbreiten den vollen Namen, Bilder und gar die Adresse des Polizisten.

Rachegelüste von Aussenstehenden

Der Mann und seine Familie werden auch bedroht. «Wir gehen vorbei und machen ihn fertig», schreibt ein Instagram-Nutzer. Es ist ein Kommentar der harmlosen Variante. Der betroffene Polizist sagte am Montagabend unter anderem zu 20 Minuten, dass Unbekannte ihn bereits zu Hause aufgesucht und die Pneus seines Autos zerstochen haben.

Die Aufrufe zur Selbstjustiz findet Martin Steiger, Anwalt für Recht im digitalen Raum, verwerflich. «Klar hat der Polizist einen Fehler gemacht, aber der Rechtsstaat muss hier seinen Lauf nehmen. Es geht nicht um die Rachegelüste von Aussenstehenden.»

Polizist wird selbst zum Opfer

Steiger sieht in den Reaktionen auf Social Media klar eine Grenze überschritten: «Es ist verwerflich, den Polizisten auf diese Art öffentlich anzuprangern. Hier kommt die hässliche Seite des Menschen zum Tragen.» Es sei ein klassischer Fall, in dem sich Gleichgesinnte in den sozialen Medien fänden, und dieser Mob dann völlig eskaliere. «Eine Person, die einen Fehler gemacht hat, und dessen Umfeld werden selbst zum Opfer», so Steiger.

Dabei vergessen einige: Beleidigungen, Drohungen und Beschimpfungen, die auf Social Media geäussert werden, können strafbar sein. Steiger sagt: «Der betroffene Polizist könnte zivilrechtlich wegen Persönlichkeitsverletzung aktiv werden.» Aber auch strafrechtliche Möglichkeiten würden sich bieten, wenn der Polizist Anzeige erstatten würde. «Es ist aber auch möglich gegen Facebook und Instagram vorzugehen, weil diese rechtsverletzende Kommentare und persönliche Informationen des Polizisten nicht filtern und löschen.»

Aufforderung, Kommentare zu melden

Auch die Stadtpolizei Winterthur, bei der der Mann angestellt ist, findet die Reaktionen in den sozialen Medien unangebracht — nicht nur, weil sie rechtlich relevant sein könnten. «Wir fordern alle dazu auf, unangebrachte und persönlichkeitsverletzende Kommentare sofort bei den jeweiligen Plattformen zu melden und sich so gegen ein solches Verhalten aktiv einzusetzen», sagt Sprecherin Sarah Paul.

Ob der Polizist Anzeige erstattet hat, ist unklar. Er war am Mittwoch telefonisch nicht erreichbar.

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