Öffentlicher Verkehr: «Viele haben keine andere Wahl als das Auto»

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Öffentlicher Verkehr«Viele haben keine andere Wahl als das Auto»

Eine neue Studie schlägt vor, Parkplätze und Benzin zu verteuern und mehr Tempolimits einzuführen. Ein Experte sagt, was das bringt.

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Teurere und weniger Parkplätze, autofreie Zonen, Tempolimits und höhere Benzinpreise: Das sind Vorschläge, die eine neue Studie macht.

Teurere und weniger Parkplätze, autofreie Zonen, Tempolimits und höhere Benzinpreise: Das sind Vorschläge, die eine neue Studie macht.

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Sie wurde vom Bundesamt für Raumentwicklung, dem Verband öffentlicher Verkehr und dem Informationsdienst Litra in Auftrag gegeben. Denn der ÖV stagniert seit Jahren.

Sie wurde vom Bundesamt für Raumentwicklung, dem Verband öffentlicher Verkehr und dem Informationsdienst Litra in Auftrag gegeben. Denn der ÖV stagniert seit Jahren.

Keystone/Gaetan Bally
Obwohl grosse Investitionen gemacht wurden, stieg der Anteil des ÖV an den zurückgelegten Kilometern in den letzten Jahren nicht, wie es in der Studie heisst.

Obwohl grosse Investitionen gemacht wurden, stieg der Anteil des ÖV an den zurückgelegten Kilometern in den letzten Jahren nicht, wie es in der Studie heisst.

Keystone/Gaetan Bally

Eine Studie, die vom Bundesamt für Raumentwicklung und der ÖV-Branche in Auftrag gegeben wurde, listet Vorschläge auf, wie das Autofahren weniger attraktiver gemacht werden könnte, um dem ÖV zu helfen. Dazu gehören etwa teurere und weniger Parkplätze oder höhere Benzinpreise. Ein Experte äussert Zweifel.

Herr Laesser, eine neue Studie empfiehlt Massnahmen, um den Autoverkehr zu verteuern. So könne der Modalsplit erhöht werden. Was bringt das?

Es kann den ÖV-Anteil schon erhöhen. Aber es ist sinnvoller, gleichzeitig auch die Attraktivität des ÖV weiter zu erhöhen, um einen doppelten Effekt zu erzielen.

Warum?

Viele Autofahrer sind sogenannte captive drivers. Das heisst: Sie wollen nicht umsteigen oder haben von ihren Randbedingungen her gar keine andere Wahl, als das Auto zu nutzen. Sie wohnen vielleicht auf dem Land, weil sie sich eine teure Wohnung in der Stadt gar nicht leisten können.

Sie könnten aber trotzdem mit dem ÖV zur Arbeit.

Der ÖV in der Schweiz ist vor allem auf Verbindungen in die Zentren angelegt. Tangentialverbindungen gibt es kaum. Wer von einer Gemeinde im Umland in eine andere Agglo-Gemeinde will, hat oft nur schlechte Verbindungen.

Wie bringt man Pendler denn auf den ÖV?

Einerseits ist die Raumplanung gefragt: In den Agglomerationen verdichtet zu bauen und das ÖV-Angebot dort auszubauen, ist sinnvoll. So nimmt der Anteil der Haushalte zu, die gut erschlossen sind. Das Angebot zieht Nachfrage nach sich – und hoffentlich Leute, die umsteigen.

Wieso ist es wichtig, erst das Angebot zu schaffen?

Wenn etwa ein Angebot vom Halbstunden- auf den Viertelstundentakt ausgebaut wird, dann ist das teuer und es braucht eine gewisse Zeit, bis das Angebot genutzt wird. Aber allein die Tatsache, dass es dieses Angebot gibt, hat für viele schon einen Wert an sich. Die Menschen leiten daraus einen sogenannten optionalen Nutzen ab. Das Angebot an sich eröffnet ihnen mehr Optionen.

Die Studie spricht von autofreien Zonen und weniger Parkplätzen. Was bringt das?

Wenn man will, dass Leute nicht mehr in die Stadt fahren, dann gibt es nur eines: Sie dürfen keine freien Parkplätze finden oder zur Verfügung haben. Parkhäuser sind den meisten doch zu teuer. Man könnte dagegen beispielsweise «im Grünen» grössere Park-and-Ride-Stationen mit guten Verbindungen schaffen.

Es gibt auch Leute, die lieber Auto fahren, weil es ihnen ein Gefühl von Freiheit gibt oder weil es für sie ein Statussymbol ist. Wie können diese Leute abgeholt werden?

Gar nicht. Zum Umsteigen bewegen kann man Leute, die ein Auto primär als etwas Funktionales ansehen. Wenn jemand mit dem Auto aber noch ganz viele andere Werte wie etwa Freiheit oder Status verbindet, müsste das Angebot des ÖV ungleich viel besser sein, damit die Leute darauf verzichten.

Christian Laesser

Der Verkehrsexperte Christian Laesser ist Professor an der Universität St. Gallen. Zu seinen Schwerpunkten gehören die Dienstleistungsindustrie, der Tourismus und Verkehrsfragen.

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