Kim Jong Un«Viele Menschen sind neugierig auf unser Land»
Nordkorea bemüht sich verstärkt um Touristen und verkauft sich als «sozialistisches Märchenland», in dem man schiessen, baden und Ski fahren kann.
- von
- Eric Talmadge ,
- AP
Malerische Berge, exotische Strände und spektakuläre Touristenattraktionen: Mit diesen Attributen wirbt Nordkorea heftig um Urlauber aus dem Ausland. Wer sich für Ferien in der Volksrepublik entscheidet, muss allerdings auch auf eine hohe Dosis an sozialistischer Propaganda und an Führerkult gefasst sein.
Bis vor kurzem hatte die nordkoreanische Regierung aus Angst vor der Ebola-Seuche buchstäblich allen Ausländern die Einreise verweigert – trotz der Tatsache, dass aus ganz Asien kein einziger Krankheitsfall gemeldet wurde. Jetzt ist die halbjährige Sperre beendet, und das «sozialistische Märchenland» buhlt wieder um Touristen.
100'000 Touristen im letzten Jahr
Die Förderung des Tourismus ist ein Herzensanliegen von Machthaber Kim Jong Un, entsprechend vollmundig klingen die Ziele der Behörden. Im vergangenen Jahr reisten etwa 100'000 Urlauber nach Nordkorea, fast alle von ihnen kamen aus dem benachbarten China. Bis 2017 soll sich die Zahl verzehnfachen, wie der Volkswirt Kim Sang Hak von der einflussreichen Akademie der Sozialwissenschaften in Pjöngjang sagt. Bis 2020 soll die Zahl auf zwei Millionen angestiegen sein.
Auf den ersten Blick wirken solche Ambitionen ironisch, wenn nicht gar widersprüchlich, da sich das Land mit grossem Aufwand von der Aussenwelt abschottet. Doch die Regierung verbindet mit der im März 2013 von Kim Jong Un verkündeten Initiative die Hoffnung, sich sowohl lukrative neue Einnahmequellen zu erschliessen, als auch Stereotypen über das Land entgegenzutreten. Schliesslich gilt es in weiten Teilen der Welt als hoffnungslos rückständig, verarmt und trostlos.
«Unser Land legt einen Schwerpunkt auf den Tourismus, weil man damit im Vergleich zu den notwendigen Investitionen viel Profit erwirtschaften kann», sagt Ökonom Kim. «Viele Menschen im Ausland haben falsche Vorstellungen von unserem Land. Wir machen trotz der Wirtschaftssanktionen der US-Imperialisten Fortschritte. Deshalb glaube ich, dass viele Menschen neugierig sind auf unser Land.» Zu kritischen Themen wie Menschenrechtsverletzungen, Einschränkungen der Bürgerrechte und Hungersnöten auf dem Land wollte sich Kim nicht äussern.
Die meisten Touristen kommen aus China
Gegner des Nordkorea-Tourismus machen geltend, dass das Geld der Urlauber letztlich einem Schurkenstaat zugutekomme und den westlichen Bemühungen schade, Pjöngjang durch Druck und Isolation zum Stopp seines Atomprogramms und zur Achtung der Menschenrechte zu bewegen. Das US-Aussenministerium etwa rät amerikanischen Staatsbürgern dringend von Reisen nach Nordkorea ab.
Dennoch steigt die Zahl der Nordkorea-Urlauber aus den USA und aus Europa langsam an. Doch der bei weitem grösste Teil der Besucher kommt aus China, Russland und Südostasien, wo die Bedenken weniger stark sind und wo Pjöngjang besonders intensiv um Touristen wirbt. «Etwa 80 Prozent der Touristen kommen aus Nachbarländern», sagt der Tourismusbeauftragte der Regierung, Kim Yong Il. «Es ist normal, Tourismus innerhalb der eigenen Region zu fördern, unser Land ist da keine Ausnahme. Aber wir expandieren auch in europäische Länder.»
Das Bemühen um neue Attraktionen und eine touristische Infrastruktur hat das Gesicht der Hauptstadt bereits verändert, auch wenn sich die allgemeine Lebensqualität im Land in den vergangenen Jahren kaum verbessert hat. Auch im Umland sind zuletzt vereinzelt Urlaubszentren entstanden, die inmitten der spartanischen Umgebung besonders auffallen.
Attraktion: Echte Tiere erlegen und verzehren
In Pjöngjang etwa wurde eine neue High-Tech-Schiessanlage gebaut. Besucher können dort sowohl mit Laserpistolen auf animierte Tiger schiessen als auch mit scharfer Munition echte Tiere erlegen, die sie sich dann sofort vor Ort verzehrfertig zubereiten lassen können. Auch eine neue Reitanlage, ein riesiger Wasserpark und Vergnügungsparks sollen Gäste anlocken. Ein in der Hauptstadt in fieberhafter Eile gebauter neuer Flughafen soll in wenigen Wochen eröffnet werden.
In der weit weniger erschlossenen Provinz wurde vor allem das Gebiet um den Berg Kumgang und die Hafenstadt Wonsan an der Ostküste entwickelt. Vor Wonsan öffnete kürzlich ein neues Ski-Resort der Luxusklasse seine Tore. Am beliebten Strand der Stadt entstanden etliche neue Restaurants.
Doch wie vielen anderen Bereichen nähert sich Nordkorea auch dem Tourismus auf ganz eigene Art. Urlauber aller Nationalitäten müssen sich darauf einstellen, von wachsamen Reiseführern ständig überwacht zu werden. Auch sind Besuche von Modellschulen, -kliniken und -bauernhöfen wie auch inszenierte Propaganda-Veranstaltungen unumgänglich. Gelegenheiten, mit der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen oder einen Einblick in deren Alltag zu bekommen, sind hingegen rar gesät.
Denn wer die vorgesehenen Pfade verlässt, muss mit drastischen Konsequenzen rechnen. So waren etwa Touren zum Kumgang bei südkoreanischen Reisenden jahrelang sehr beliebt, bis 2008 eine Hausfrau aus dem Süden beim Betreten einer Sperrzone von einem nordkoreanischen Wachmann erschossen wurde. Zuletzt wurde ein amerikanischer Tourist fast sechs Monate lang inhaftiert, weil er eine Bibel in einem Nachtclub liegen gelassen haben soll. Der Mann kam erst wieder auf freien Fuss, als das US-Verteidigungsministerium ihn mit einem Flugzeug aus Pjöngjang abholen liess.