Umstrittener Fahrzeugtyp: Vier von zehn Schweizer Neuwagen sind SUV

Aktualisiert

Umstrittener FahrzeugtypVier von zehn Schweizer Neuwagen sind SUV

Sie haben den Ruf von Dreckschleudern und PS-Monstern: die Geländewagen. Nun zeigt eine Analyse erstmals, wie verbreitet SUV in der Schweiz sind.

von
S. Spaeth
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SUV boomen: Rund 42 Prozent oder vier von zehn neuen Autos waren 2019 hierzulande SUV. Das zeigt eine Auswertung von 20 Minuten.

SUV boomen: Rund 42 Prozent oder vier von zehn neuen Autos waren 2019 hierzulande SUV. Das zeigt eine Auswertung von 20 Minuten.

Keystone/Gaetan Bally
Der SUV-Anteil von 42 Prozent entspricht rund 66000 neuen Fahrzeugen mit grösseren Rädern, bulliger Bauweise und mehr PS.

Der SUV-Anteil von 42 Prozent entspricht rund 66000 neuen Fahrzeugen mit grösseren Rädern, bulliger Bauweise und mehr PS.

Sina Schuldt
Den steigenden SUV-Anteil als Problem sieht der Verkehrsclub der Schweiz (VCS): «In der Regel sind SUV grösser und schwerer als andere Fahrzeugkategorien, weshalb sie tendenziell einen höheren Treibstoffverbrauch haben», sagt ein Sprecher.

Den steigenden SUV-Anteil als Problem sieht der Verkehrsclub der Schweiz (VCS): «In der Regel sind SUV grösser und schwerer als andere Fahrzeugkategorien, weshalb sie tendenziell einen höheren Treibstoffverbrauch haben», sagt ein Sprecher.

Keystone/Gaetan Bally

Man braucht ihn für die Fahrt zum Ferienhaus in den Bergen oder wegen der besseren Übersicht im Verkehr: SUV boomen wie keine zweite Autokategorie. 157'136 Neuwagen wurden in der Schweiz im ersten Halbjahr 2019 laut Auto-Schweiz zugelassen. Wie viele davon SUV (Sport Utility Vehicle) sind, kann der Branchenverband offiziell nicht sagen. Der Grund: Es gebe keine einheitliche Definition für ein SUV-Fahrzeug.

20 Minuten hat die Schweizer Neuwagenstatistik unter die Lupe genommen. Das Resultat: Rund 42 Prozent oder vier von zehn neuen Autos waren 2019 hierzulande SUV. Das bedeutet über 66'000 neue Fahrzeuge mit grösseren Rädern, bulliger Bauweise, mehr PS. Damit ist der SUV-Anteil in der Schweiz viel höher als in Deutschland, wo die Quote laut Definition der Universität Duisburg-Essen bei rund 31 Prozent liegt. 20 Minuten hat für seine Auswertung für die Schweiz dieselbe SUV-Definition wie die deutsche Universität angewendet, die auf über 120 Modelle zutrifft.

«SUV sind nicht generell Dreckschleudern»

Den steigenden SUV-Anteil als Problem sieht der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS): «In der Regel sind SUV grösser und schwerer als andere Fahrzeugkategorien, weshalb sie tendenziell einen höheren Treibstoffverbrauch haben», sagt Sprecher Oliver Kempa. Leider trage der Boom dazu bei, dass der CO2-Ausstoss der in der Schweiz verkauften Neuwagen wieder steige. Um Gegensteuer zu geben, fordert der VCS eine CO2-Abgabe auf Treibstoffe: Damit würden vermehrt energieeffiziente und leichtere Autos verkauft.

Die SUV generell als Dreckschleudern zu pauschalisieren, findet hingegen der Autogewerbeverband (AGVS) nicht richtig. «Auch in dieser Fahrzeugkategorie finden sich Modelle mit vernünftigen Schadstoffwerten», sagt Geschäftsleitungsmitglied Markus Aegerter. Und die Amag verweist auf das Klischee des «grossen SUV»: Ein VW Golf ist heute 1,799 Meter breit, ein VW Tiguan misst mit 1,839 Metern nicht viel mehr. «Alle Volumenfahrzeuge, egal ob SUV oder herkömmlich, sind etwa gleich breit», heisst es beim grössten Schweizer SUV-Verkäufer Amag. Allein vom VW-Modell Tiguan wurden im laufenden Jahr 3650 Stück verkauft, vom grössten VW-Geländewagen, dem Touareg, 368.

Monster-SUV als Risiko

Zwar sind die SUV-Riesen die Ausnahme, doch das Angebot wächst. Im Jahr 2010 gab es in Europa sieben Modelle mit einer Breite von mehr als 1,99 Metern, zehn Jahre später sind es schon mehr als doppelt so viele. Für die Autobauer seien Fahrzeuge wie ein BMW X7, ein Audi Q8 oder ein Mercedes GLS mit einem Risiko verbunden. «In Zeiten der Klimadebatte sollte man in Europa nicht mit Provokationen als Umweltfrevler auf sich aufmerksam machen. Das schadet dem Image», sagt Automobilprofessor Ferdinand Dudenhöffer. Übergrosse SUV könnten mehr Marktwert zerstören, als in Europa auf der Einnahmeseite in die Klasse fliesst.

Grund für den hohen Schweizer Anteil ist die Kaufkraft: «Die Schweizer geben gern mehr für ein Auto aus. Zudem sind SUV hochwertiger und dank des breiten Angebots sehr angesagt», sagt Dudenhöffer. AGVS-Mann Aegerter ergänzt: «Viele Schweizer Autokäufer haben ein hohes Sicherheitsbedürfnis und schätzen die höhere Sitzposition im SUV.»

Bald 45 Prozent SUV?

Darum sehen Experten auch kein Abflachen des SUV-Trends. «Der SUV-Anteil wird weiter steigen, die Schweizer werden amerikanischer», erklärt Dudenhöffer. Dort machen SUV, grosse Vans und Pick-ups fast 60 Prozent der Neuwagen aus. «Ein SUV-Anteil in der Schweiz von 45 Prozent bis 2025 wäre keine Überraschung.»

Braucht es wegen den vielen SUV bald breitere Parkplätze?

Der überwiegende Teil der SUV sind Kompakt-Mittelklasse-SUV. Diese sind keine Platzfresser. Unter den SUV gibt es aber auch die Riesen mit zwei Metern Breite und fünf Metern Länge. Ein normaler Parkplatz ist hier mindestens unkomfortabel. Schweizer Mindestvorschriften für die Parkplatzbreite gibt es nicht, es gibt aber eine unverbindliche Norm des Verbands der Strassen- und Verkehrsfachleute: In einem öffentlichen Parkhaus sollte ein Parkfeld mindestens 2,5 Meter breit sein, in einem Mehrfamilienhaus 2,35 Meter.

Von einer Forderung nach breiteren Parkplätzen will man beim Autogewerbeverband (AGVS) nichts wissen: «Das wäre wenig zielführend.»

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