Verschwundener Gemeindeschreiber«Kasernenmethoden» und Polizeiskandal – Anrigs umstrittene Vergangenheit
Der ehemalige Gemeindeschreiber der Gemeinde Zermatt ist unauffindbar. Auch italienische Medien fragen sich, wo Anrig steckt und graben in seiner Vergangenheit.
Darum gehts
Er war Chef der Kriminalpolizei des Kantons Glarus, Kommandant der päpstlichen Schweizergarde sowie Chef der Flughafen-Stabsabteilung der Kantonspolizei Zürich: Die berufliche Laufbahn von Daniel Anrig ist beeindruckend. Seit November 2020 amtete der 50-Jährige als Gemeindeschreiber von Zermatt – bis das Arbeitsverhältnis im vergangenen Oktober überraschend aufgelöst wurde.
Über die Gründe ist bislang wenig bekannt: Gemeindepräsidentin Romy Biner-Hauser sagte gegenüber dem «Walliser Bote» lediglich, dass die Trennung «in gegenseitigem Einvernehmen» erfolgt sei und Anrig eine «berufliche Neuorientierung» anstrebe.
Noch bis Ende Dezember 2022 hätte Anrig seine Tätigkeit als Gemeindeschreiber weiterführen sollen. Nun aber ist er abgetaucht: Weder geht er ans Handy, noch beantwortet er E-Mails. Laut Informationen des «Walliser Bote» schaltete die Gemeinde Anfang letzter Woche die Polizei ein.
Kritik aus dem Vatikan
Wie der italienische «Corriere della Sera» schreibt, hat Anrig schon zu seiner Zeit als Kommandant der päpstlichen Schweizergarde für Unmut gesorgt. Er soll «Kasernenmethoden» an den Tag gelegt haben und soll deswegen vom Papst Franziskus deswegen nicht gemocht worden sein. Sein Stil war ihm zu autoritär, wie die Zeitung zu wissen scheint. Kurzum, seine Figur passte nicht zu dem von Franziskus gewünschten neuen Kurs des Vatikans.
Einige ihm Unterstellte sollen sich über seine militärische Härte beschwert haben, die offenbar ein Merkmal von Anrigs Führungsstil war. Anrig konterte damals, er habe seit seinem Amtsantritt am 1. Dezember 2008 «zahlreiche Reformen» umgesetzt, die das Leben der Gardisten erleichtern würden.
Polizei-Skandal 2002
Doch Anrig war schon zuvor eine umstrittene Persönlichkeit. Im Jahr 2002 wurde er zum Chef der Kriminalpolizei Glarus ernannt. Ein Jahr später stand er im Zentrum einer der grössten Polizeiskandale der Schweiz. Als eine Glarner Polizeieinheit (ihm unterstellt), in dunklen Overalls getarnt und somit nicht als Polizisten erkennbar – zwei Asylunterkünfte in Ennenda und Linthal stürmten. Sie haben die Geflüchteten ausgezogen und gefesselt. Danach haben sie ihnen einen Stoffsack über den Kopf gezogen und sie auch nackt fotografiert. Dies dauerte Stunden – bis ein Vertreter des Roten Kreuzes intervenierte.
Den Geflüchteten soll während des Einsatzes nicht klar gewesen sein, dass es sich um einen Polizeieinsatz gehandelt hat. Aufgrund des darauffolgenden medialen Drucks und Sturms der Entrüstung hatte die Kantonspolizei Glarus Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen sich selbst eingereicht. Die Ermittlungen in diesem Fall wurden später aber eingestellt.
Wird polizeilich gesucht
Anrig wird seit seinem Verschwinden per Polizeipatrouille gesucht. Letzte Woche habe sich die Walliser Polizei Zugang zu seiner Wohnung verschafft. Diese sei jedoch leer gewesen. Laut der Zeitung soll die Gemeinde die Polizei aufgeboten haben, da Anrig nicht an seinem Arbeitsplatz erschienen sei.