Mutasim (49) aus Zürich«Vor zwei Wochen sah ich meine Familie noch, jetzt droht ihr der Tod»
Im Sudan halten die Kämpfe an. Mittendrin: die Familie des Zürchers Mutasim Hilal. Er war vor zwei Wochen noch vor Ort – nun bangt er um seine Mutter und Brüder.

- von
- Christina Pirskanen
Darum gehts
Im Sudan wüten weiterhin Kämpfe im ganzen Land.
Mutasim Hilal (49) lebt in Zürich – seine Familie befindet sich jedoch in der Heimat Sudan.
Er macht sich grosse Sorgen, denn fliehen können seine Mutter und seine beiden Brüder nicht.
Mutasim Hilal (49) kommt ursprünglich aus dem Sudan, lebt aber seit 23 Jahren in der Schweiz, mittlerweile in Zürich, und arbeitet als Eventorganisator. Erst vor zwei Wochen war er im Sudan zu Besuch: «Man merkte nichts, alle waren positiv eingestellt. Es herrschte ein normales Leben – und jetzt ist plötzlich Krieg. Das war ein riesiger Schock», sagt er.
Kämpfe breiten sich im ganzen Land aus
Im Sudan gehen die Gefechte zwischen Machthaber und Armeechef Abdel Fattah al-Burhan und seinem Vize Mohamed Hamdan Daglo, auch «Hemeti» genannt, ununterbrochen weiter. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Todeszahl seit Samstag auf rund 330, die Zahl der Verletzten auf etwa 3200 gestiegen.
Mehrere Versuche, eine Feuerpause zu organisieren, scheiterten in den vergangenen Tagen. Auch Evakuierungsmissionen anderer Länder, die ihre Staatsangehörigen holen wollten, mussten abgebrochen werden.
«Ich hörte Explosionen und Schüsse»
Mutasims Familie lebt weiterhin im Sudan – und schwebt aufgrund der andauernden Kämpfe in grosser Gefahr. «Es geht ihnen schlecht. Es herrscht Krieg, das sind sie sich nicht gewohnt», sagt er. Mutasims jüngerer Bruder Amir wohnt in der Hauptstadt Khartum, wo die letzten Tage über die Kämpfe am stärksten wüteten. Es gebe kaum noch Wasser, Essen und auch keinen Strom. «Amir geht meist schnell zum Nachbar rüber, der einen Generator hat, um sein Handy aufzuladen», so Mutasim.
Mutasims Bruder Amir zeichnet die Gefechte und Raketenbeschüsse in der Hauptstadt Khartum auf.
Mutasims anderer Bruder Hashim lebt in Omdurman, nahe Khartum – direkt neben einem der grössten Militärcamps der Hemeti-Truppen: «Ich sprach gestern Nacht mit ihm und hörte im Hintergrund die Explosionen und Schüsse von Automatikwaffen», erzählt Mutasim. Auch Hashim gingen Wasser und Essen aus. «Die Menschen hatten Angst und kauften alle Läden leer. Hashim kaufte zu wenig, jetzt hat er fast nichts mehr.» Sein restliches Wasser teile er sich mit der Nachbarsfamilie – Duschen liege schon lange nicht mehr drin.
«Zu gefährlich, um das Haus zu verlassen»
«Meine Mutter Naima lebt auch in Omdurman, ging aber auf Besuch nach Al-Faschir – dann fingen die Kämpfe an», erzählt Mutasim. «Gestern telefonierte ich mit ihr, sie erzählte, dass ihr Nachbar getötet worden sei. Eine Bombe schlug in seinem Haus ein, als er betete», so der 49-Jährige. Mittlerweile sei seine Mutter etwas weiter in den Westen gereist – dort sei es ein wenig sicherer.
Für beide Brüder sowie seine Mutter gebe es keine Möglichkeit zu fliehen: Auch wenn das Gefecht kurz pausiere, sei es meist für maximal eine Stunde, der Flughafen sei geschlossen. «Es ist schlicht zu gefährlich, draussen unterwegs zu sein – befindet man sich zur falschen Zeit am falschen Ort, wird man erschossen oder von Bomben getroffen. Sie müssen in ihren Häusern bleiben.» Sein Bruder Amir habe ihm von einem Nachbarsjungen erzählt, der vor einigen Tagen in die Stadt loszog, um nach Brot zu suchen. Auf dem Weg nach Hause, kurz vor der Haustür, sei er von einer Bombe getroffen und getötet worden.

Nach einem Abzug der Hemeti-Truppen fand Mutasims Bruder Amir noch übrig gelassenes Essen. Eine Freude, denn Nahrungsmittel werden knapp im Sudan.
Beten und weinen
Noch vor zwei Wochen habe Mutasim sich im Sudan Mangos und Hibiskus an einem Markt gekauft: «Die Früchte liegen noch bei mir zu Hause – der Laden, in dem ich sie gekauft habe, ist in der Zwischenzeit aber komplett niedergebrannt.» Seiner Familie kann er aus der Schweiz momentan nicht helfen. «Es bleibt mir nicht viel anderes übrig, als zu beten und zu weinen.»
Hast du oder hat jemand, den du kennst, ein Trauma erlitten?
Hier findest du Hilfe:
Pro Mente Sana, Tel. 0848 800 858
Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer SRK, Tel. 058 400 47 77
Angehörige.ch, Beratung und Anlaufstellen
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
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