HNO-SpezialistVorsicht, Badeotitis – trage im Sommer Sorge zu deinen Ohren
Jeweils im Sommer haben es HNO-Ärztinnen und -Ärzte mit einem alten Bekannten zu tun: der Badeotitis, auch «swimmer’s ear» genannt. Die Ohrentzündung ist äusserst schmerzhaft und treibt die Betroffenen in die Praxen.
Wattestäbchen gelten unter Fachleuten als «Folterinstrumente» – auch von Ohrenkerzen halten sie nicht viel.
Darum gehts
Ohrenschmerzen können verschiedene Ursachen haben.
Im Sommer besonders häufig anzutreffen ist die sogenannte Badeotitis.
Diese tritt – der Name zeigt es – oft im Zusammenhang mit Wasser auf. Aber nicht nur.
Ist sie da, sollten Arzt oder Ärztin aufgesucht werden.
Doch es gibt Möglichkeiten, der Ohrentzündung vorzubeugen.
Welche das sind, verrät der HNO-Spezialist Jonas Fellmann vom USZ.
Am Anfang der Ferien krank sein, hat einen Namen: Leisure Sickness – die Freizeitkrankheit schlägt ausgerechnet dann zu, wenn der Stress nachlässt. Einen ganz anderen Grund hat die Badeotitis, eine schmerzhafte Ohrenentzündung, die einen ebenfalls in der freien Zeit erwischt, nämlich nach dem Schwimmen. Daher der Name. Das steckt dahinter.
Was ist die Badeotitis?
Badeotitis (Fachausdruck: Otitis externa acuta). Es handelt sich um eine Entzündung des äusseren Gehörgangs, der sich zwischen Trommelfell und Ohrmuschel befindet. Die im Englischen als «swimmer’s ear» bezeichnete Entzündung wird durch Keime verursacht, die entweder beim Schwimmen, Tauchen, Rutschen und Surfen ins Ohr gelangen oder schon dort sind und durch das hinein gespülte Wasser plötzlich eine ideale Umgebung zur Vermehrung vorfinden. Auslöser sind zumeist Bakterien. Es handelt sich nicht um ein simples «Wasser im Ohr haben».
Auch der Englische Name «swimmer’s ear» deutet auf einen Zusammenhang mit Wasser hin: Kann man es auch anders bekommen?
Da gibt es einige, zum Beispiel:
Veränderung im Gehörgang: Das Ohrenschmalz schützt die sehr dünne und empfindliche Haut des Gehörgangs über Knorpel und Knochen. Zudem hält er Wasser vom Eindringen ab. «Wenn der Gehörgang zu häufig oder zu intensiv gereinigt wird, haben Keime ein leichtes Spiel», erklärt Jonas Fellmann, Oberarzt an der Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie am Unispital Zürich.
Durch den Gebrauch von Wattestäbchen: Mit Wattestäbchen stösst man nicht nur Ohrenschmalz ins Ohr zurück, sondern kann dem Gehörgang auch Schaden zufügen. Das Reinigen übernimmt der Körper meist selbst. Alles, was mit dem Finger erreichbar ist, kann man aber guten Gewissens reinigen, so Fellmann.
In-Ear-Kopfhörer: Auch Ohrenstöpsel können – vor allem wenn man sie sehr viele Stunden pro Tag im Gehörgang hat – Schmutz und Keime ins Ohr befördern und so bei empfindlichen Personen eine Infektion begünstigen.
Wie äussert sich die Badeotitis?
Es beginnt mit einem Jucken. Das Hauptsymptom aber sind Ohrenschmerzen, die zunehmend heftiger ausfallen. Häufig zeigt sich auch ein Druckgefühl und eine Hörminderung. Manchmal kann es auch zu einem störenden Ohrgeräusch führen. Der betroffene Gehörgang ist gerötet und geschwollen. «Bei starken Schmerzen, die auch nach der Einnahme von Schmerzmitteln nicht besser werden, sollte ein Ohrenspezialist oder eine -spezialistin aufgesucht werden», empfiehlt Fellmann.
Wie kann die Fachperson helfen?
Sie bringt die Entzündung mithilfe von Antibiotika zum Abklingen. Etwa mit Antibiotikatropfen. «Wir nutzen dafür oft sogenannte Gehörgangs-Mèchen», so der Experte vom USZ. Das seien hauchdünne Gewebe aus Stoff, die vorab in Antibiotika getaucht werden und einige Tage im Ohr blieben. Ein Teil des Materials rage dabei knapp aus dem Gehörgang heraus, «darauf können die Betroffenen in den Tagen der Behandlung zusätzliche Antibiotika tröpfeln.» Auf diese Weise können die Wirkstoffe kontinuierlich wirken und für eine schnelle Heilung sorgen. Dabei sei es wichtig, sich an die Vorgaben von Ärztin oder Arzt zu halten: Sobald die Behandlung abgeschlossen ist, müssen die Antibiotika abgesetzt werden. «Sonst vertreiben sie auch die guten Bakterien im Ohr und machen so Platz für Pilzinfektionen.» Zudem steigere eine zu lange Gabe die Bildung von Resistenzen.
Eine Badeotitis heilt in leichten Fällen binnen zwei bis drei Tagen aus, in schwereren Fällen kann es über eine Woche dauern.
Kann die Entzündung ohne Behandlung abklingen?
Das ist grundsätzlich möglich. Aber laut Fellmann ist eine unbehandelte Badeotitis sehr schmerzhaft, wobei die Schmerzen täglich zunehmen. «Spätestens nach zwei bis drei Tagen suchen die Betroffenen dann eine Ärztin oder einen Arzt auf.» Sehr selten kann eine ungenügende Behandlung zu einem schweren Verlauf führen: Ohne Therapie kann sich die Entzündung auf die Schädelbasis, das Gehirn oder die Hirnnerven ausbreiten und im schlimmsten Fall zum Hörverlust führen, wie die Cleveland Clinic schreibt. Laut dem Zürcher Experten besteht diese Gefahr vor allem bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem wie älteren Personen, Rauchern und Diabetikern.

Jonas Fellmann ist Oberarzt an der Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie am Unispital Zürich.
Kann man dem «swimmer’s ear» vorbeugen?
Da gibt es einige Möglichkeiten. So sollte man die Ohren nach Wasserkontakt gut trocknen, etwa mit dem Finger oder einem Handtuch. Auch kann man den Haartrockner im Schwimmbad kurz auf die Ohren halten. Zu sogenannten Tauchertropfen, die es in der Apotheke gibt, rät Fellmann nach einer vorgängigen Konsultation bei einer Fachperson. Nur sie könne ausschliessen, dass keine Trommelfellschäden vorliegen. Ist das geschehen, können die Tropfen für ein saures Milieu sorgen, das die Bakterien an der Vermehrung hindert. Ohrenkerzen, wie sie auf Social Media empfohlen werden (siehe Video), sind dagegen nicht empfehlenswert: «Sie kosten viel Geld, bringen aber nichts.» Weitere Tipps findest du in der Bildstrecke unten.
Weil auch zu viel Ohrenschmalz Gehörgangsentzündungen begünstigen kann (siehe Box), empfiehlt Fellmann allen Menschen mit sehr viel Ohrenschmalz, sich alle sechs bis zwölf Monate einer professionellen Gehörgangsreinigung bei HNO-Fachleuten oder beim Hausarzt oder der Hausärztin zu unterziehen. Meist haben Betroffene immer wieder verstopfte Gehörgänge. «Die Menge, Konsistenz und Farbe von Ohrenschmalz ist von Mensch zu Mensch sehr verschieden und wie die Haut auch, verändert sich auch die Zusammensetzung und Menge unseres Ohrenschmalzes im Laufe des Lebens», erklärt Fellmann.
Hattest du schon mal eine Badeotitis?
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