Studie weckt Hoffnung auf weniger Hormone in «Pille» – zu Recht?

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StudieWäre die Anti-Baby-Pille mit weniger Hormonen genauso sicher?

Laut einer neuen Studie könnten Antibabypillen auch mit deutlich weniger Hormonen funktionieren. In der Praxis ändern wird das laut Hormonexpertin Gabriele Merki jedoch nichts.

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Nicht alle Verhütungsmittel schützen gleich gut. Welches wie gut ist – gemessen am Pearl-Index – zeigen die folgenden Bilder. Der Pearl-Index gibt an, wie sicher eine Verhütungsmethode ist.

Nicht alle Verhütungsmittel schützen gleich gut. Welches wie gut ist – gemessen am Pearl-Index – zeigen die folgenden Bilder. Der Pearl-Index gibt an, wie sicher eine Verhütungsmethode ist.

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Wenden 100 Frauen ein Jahr lang das gleiche Verhütungsmittel an und treten in diesem Zeitraum drei Schwangerschaften auf, so beträgt der Pearl-Index 3. Ein Pearl-Index von 0,1 besagt, dass eine von 1000 Frauen, die ein Jahr lang das gleiche Verhütungsmittel angewendet haben, schwanger wurde. Das heisst: Je niedriger der Pearl-Index ist, desto sicherer ist das Verhütungsmittel.

Wenden 100 Frauen ein Jahr lang das gleiche Verhütungsmittel an und treten in diesem Zeitraum drei Schwangerschaften auf, so beträgt der Pearl-Index 3. Ein Pearl-Index von 0,1 besagt, dass eine von 1000 Frauen, die ein Jahr lang das gleiche Verhütungsmittel angewendet haben, schwanger wurde. Das heisst: Je niedriger der Pearl-Index ist, desto sicherer ist das Verhütungsmittel.

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Hormonspirale: Die Hormonspirale wirkt ausschliesslich in der Gebärmutter, sie hat keine Unterdrückung des Eisprungs zur Folge. Sie wird von einem Frauenarzt eingesetzt und wirkt zwischen drei und fünf Jahren. Wie das Hormonimplantat enthält sie ausschliesslich Gestagene. 
Vorteile: Man muss sich nur alle paar Jahre mit Verhütung auseinandersetzen. Die hormonbedingten Nebenwirkungen sind gering, da die Hormonspirale sehr lokal wirkt. Auch eignet sich die Hormonspirale für Frauen, die kein Östrogen vertragen und in nächster Zeit keinen Kinderwunsch haben. Die Menstruationsschmerzen sind sehr schwach.

Hormonspirale: Die Hormonspirale wirkt ausschliesslich in der Gebärmutter, sie hat keine Unterdrückung des Eisprungs zur Folge. Sie wird von einem Frauenarzt eingesetzt und wirkt zwischen drei und fünf Jahren. Wie das Hormonimplantat enthält sie ausschliesslich Gestagene.
Vorteile: Man muss sich nur alle paar Jahre mit Verhütung auseinandersetzen. Die hormonbedingten Nebenwirkungen sind gering, da die Hormonspirale sehr lokal wirkt. Auch eignet sich die Hormonspirale für Frauen, die kein Östrogen vertragen und in nächster Zeit keinen Kinderwunsch haben. Die Menstruationsschmerzen sind sehr schwach.

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Darum gehts

  • Eine auf einer Modellrechnung beruhende Studie besagt, dass die «Pille» mit deutlich weniger Hormonen auskommen könnte.

  • Die Meldung schürt bei manchen Frauen die Hoffnung auf weniger Nebenwirkungen.

  • Die Endokrinologin Gabriele Merki vom Unispital Zürich ist da zurückhaltender.

  • Sie bezeichnet die Herangehensweise des Forschungsteams als «mathematisch, aber weniger für die Praxis geeignet.»

  • Zudem seien die von den Autoren angegebenen Vorschläge grossteils schon heute gängige Praxis.

Nach Spiralen und dem Hormonstäbchen ist die Antibabypille das sicherste Verhütungsmittel auf dem Markt (siehe Bildstrecke), doch sie schützt nicht vor sexuell übertragbaren Krankheiten. Zudem kann sie aufgrund der enthaltenen Hormone in sehr seltenen Fällen auch schwere Nebenwirkungen haben.

Das in den Kombipräparaten (siehe Box) vorkommende Östrogen wird mit Thrombosen oder Embolien in Verbindung gebracht, vor allem bei Frauen mit entsprechenden Risikofaktoren oder entsprechender Prädisposition. Als bekanntestes Beispiel gilt der Fall Céline: Im Jahr 2008 nahm die damals 16-Jährige die Pille «Yasmin» ein und erlitt daraufhin eine beidseitige Lungenembolie und in weiterer Folge Hirnschäden. Entsprechend verheissungsvoll mag das Ergebnis einer Studie für einige Frauen klingen.

Diese Arten von Pille gibt es

Es gibt zwei Arten von Pillen:

  • Kombi-Pillen mit Östrogen und Gestagen: Sie verhindern den Eisprung komplett. Manche Varianten können zusätzlich Akne oder fettige Haut verbessern. Der Zyklus ist vorhersehbar und regelmässig.

  • Gestagenpillen: Sie enthalten nur synthetisch hergestelltes Gestagen und verhindern ebenfalls den Eisprung.

Welche Antibabypille die richtige für eine Frau ist, sollte mit dem Arzt oder der Ärztin besprochen werden.

Welche Antibabypille die richtige für eine Frau ist, sollte mit dem Arzt oder der Ärztin besprochen werden.

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Wie viel Hormone braucht es?

Laut der im Fachjournal «Plos Computational Biology» veröffentlichten Arbeit, könnten die Verhütungspillen auch mit deutlich weniger Hormonen funktionieren: Ihrem Rechenmodell zufolge, könnte die Dosierung von Hormonen in gängigen Verhütungsmitteln sogar um bis zu über 90 Prozent reduziert werden und dennoch den Eisprung wirksam unterdrücken, so das internationale Forschungsteam.

«Die Ergebnisse zeigen, dass die Gesamtdosis bei einer Östrogen-Monotherapie um 92 Prozent und bei einer Gestagen-Monotherapie um 43 Prozent reduziert werden kann», schreibt das Team um Johnny Ottesen vom Center for Mathematical Modeling—Human Health and Diseases der dänischen Universität Roskilde. Weiter hätte man zeigen können, dass durch die Kombination von Östrogen und Gestagen die Dosis noch weiter gesenkt werden könne.

Interessant, aber nicht neu

Eine Folge für die Entwicklung neuer Pillen dürfte die Studie laut Gabriele Merki, Professorin und Oberärztin an der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie am Universitätsspital Zürich, aber nicht haben. Sie hält die Studie zwar für interessant, aber «das Thema wird darin mehr mathematisch betrachtet und ist weniger auf die Praxis ausgelegt.» Vieles wisse man zudem schon und habe Präparate mit der vorgeschlagenen reduzierten Hormondosis im Gestagenbereich bereits auf dem Markt.

Merkis grösster Kritikpunkt: «Aus der Studie geht nicht hervor, wie hoch die zu gebenden Hormondosen wirklich sein müssen.» Die Autorinnen und Autoren sagten, welchen Hormonspiegel die Anwenderin im Blut erreichen muss, aber sie erwähnten nicht, welche Dosis geschluckt werden müsse, um diesen Wert zu erreichen. Das sei aber ein wichtiger Punkt, denn die geschluckte Dosis ist nicht die Dosis, die am Ende für die Wirkung sorgt: Schliesslich werden «die Hormone im Magen resorbiert und ein Teil zudem in der Leber metabolisiert.» Das Studienergebnis bezeichnet Merki daher als ein «sehr theoretisches».

«Reine Östrogenpräparate gibt es gar nicht»

Die fachfremde Annäherung an das Thema zeigt sich auch in der Aussage zu den reinen Östrogenpräparaten, denn «solche gibt es gar nicht.» Um Schwangerschaften sicher verhindern zu können, müssten «hohe, ungesunde Dosen Östrogen gegeben werden», die mit einem einem grossen Thromboserisiko assoziiert wären und auch das Risiko für Brustkrebs steigen lassen würden. «Deshalb gibt man Östrogen heute nur in Kombipräparaten und das so niedrig dosiert wie möglich.»

Moderne Kombipräparate enthalten 15, 20 oder 35 Mikrogramm Östrogen, «wobei wir die 15er-Dosierung praktisch nie verschreiben, weil die Erfahrung zeigt, dass die Verträglichkeit der Pillen mit geringfügig mehr Östrogen besser ist.» Zudem sinke das Thromboserisiko nicht weiter, wenn eine Kombi-Pille unter 30 Mikrogramm Ethinylestradiol (synthetisch hergestelltes Östrogen) enthält.

Verhältnis zwischen Schutz und Sicherheit muss stimmen

Das Bestreben, die Hormondosis zu senken, um möglichst viele Nebenwirkungen auszuschliessen, gibt es seit Jahrzehnten. Gleichwohl kann die Dosis nicht beliebig reduziert werden. Schliesslich soll der Schutz vor einer ungewollten Schwangerschaft weiter gewährleistet sein. «Man muss sicher immer so viel Hormone geben, dass auch bei einer Frau mit einem starken Metabolismus der Eisprung gehemmt ist. Das wird in den Zulassungsstudien sehr genau getestet und belegt.»

In den Kombipräparaten findet sich neben Östrogen auch Gestagen. Dies in Form einer sogenannten Doppelovulationshemmdosis. Welchem Wert das entspricht, hängt von der Art des Gestagens ab, so Merki. Der Grund für diese Dosierung: «Jede Frau hat ihren eigenen Metabolismus, abhängig davon kann der Gestagenspiegel im Blut von Frau zu Frau um 60 Prozent variieren.» Das Gestagen ist aber die Komponente in der Kombi-Pille, die den Eisprung verhindert. Auch hier gelte es, das beste Verhältnis zwischen Schutz und Sicherheit zu bieten.

Gestagen-Pillen haben Vor- und Nachteile

Die Hälfte des in den Kombipräparaten verwendeten Gestagens kommt in reinen Gestagen-Pillen vor. Das funktioniert nur, wenn das entsprechende Präparat durchgehend eingenommen wird. Dadurch und durch das Fehlen des Östrogens kann es zu harmlosen Zwischenblutungen,– und selten zu Stimmungsschwankungen oder Libidoveränderungen kommen. «Auch der positive Effekt auf Haut und Haare fällt weg», so Merki.

Für viele Frauen mit Wunsch nach regelmässiger und vorhersehbarer Blutung seien deshalb diese Präparate nur die zweite Wahl. Anders für Frauen, die gewisse Kontraindikationen mitbringen. Dazu zählen Übergewicht, starkes Rauchen, ein Alter über 30 Jahre und Thromboseneigung. Auch Vorerkrankungen wie Bluthochdruck gehören dazu.

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