Tötungsdelikte: Warum gibt es im Aargau so brutale Verbrechen?

Aktualisiert

TötungsdelikteWarum gibt es im Aargau so brutale Verbrechen?

Thomas N., Daniel H., Werner Ferrari: Auffallend viele brutale Verbrechen finden im Kanton Aargau statt. Warum ist das so?

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J. Hoppler/ D. Pomper
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Der Kindermörder Werner Ferrari wird am 6. Juni 1995 in den Gerichtssaal in Wettingen geführt. Dem 49-jährigen Ferrari werden fünf in den 1980er-Jahren begangene Kindsmorde zur Last gelegt. Er wird anschliessend zu lebenslänglicher Haft verurteilt.

Der Kindermörder Werner Ferrari wird am 6. Juni 1995 in den Gerichtssaal in Wettingen geführt. Dem 49-jährigen Ferrari werden fünf in den 1980er-Jahren begangene Kindsmorde zur Last gelegt. Er wird anschliessend zu lebenslänglicher Haft verurteilt.

Keystone/Walter Bieri
Am Montag, 28. Oktober 1996 präsentieren die zuständigen Behörden im Mordfall Seewen in Solothurn den Medien die Tatwaffe. Der Fünffachmord von Seewen von 1976 ist bis heute einer der grössten ungelösten Verbrechen der schweizerischen Kriminalgeschichte.

Am Montag, 28. Oktober 1996 präsentieren die zuständigen Behörden im Mordfall Seewen in Solothurn den Medien die Tatwaffe. Der Fünffachmord von Seewen von 1976 ist bis heute einer der grössten ungelösten Verbrechen der schweizerischen Kriminalgeschichte.

Keystone/Juerg Mueller
Nach dem Amoklauf des ehemaligen Chefs der Zürcher Baupolizei, Guenther Tschanun, wird am 16. April 1986 aus dem Zürcher Hochbauamt ein Sarg mit einem Opfer getragen. Tschanun erschoss an seinem Arbeitsplatz im Hochbauamt vier seiner Mitarbeiter und verletzte einen weiteren schwer.

Nach dem Amoklauf des ehemaligen Chefs der Zürcher Baupolizei, Guenther Tschanun, wird am 16. April 1986 aus dem Zürcher Hochbauamt ein Sarg mit einem Opfer getragen. Tschanun erschoss an seinem Arbeitsplatz im Hochbauamt vier seiner Mitarbeiter und verletzte einen weiteren schwer.

Keystone/str

Wirft man einen Blick auf die schlimmsten Verbrechen, die in den letzten dreissig Jahren in der Schweiz begangen wurden, fällt auf: Überdurchschnittlich viele Mörder aus dem Aargau haben landesweit Aufsehen erregt (siehe Diashow).

In den 80er-Jahren brachte der Serientäter Werner Ferrari mehrere Kinder um. 2009 tötete Daniel H. das Aupair-Mädchen Lucie. Wie der «Tages-Anzeiger» schreibt, starben allein im vergangenen Jahr im Kanton Aargau 13 Menschen bei Gewaltverbrechen. Fünf von ihnen wurden erschossen, acht wurden mit Messern umgebracht. Im Dezember 2015 schnitt der mutmassliche Mörder Thomas N. seinen vier Opfern die Kehle durch.

2015 gab es laut dem Bundesamt für Statistik in der Schweiz insgesamt 198 Tötungsdelikte (versucht und vollendet). Die meisten davon wurden im Kanton Genf begangen (36), gefolgt vom Kanton Zürich (33). Der Kanton Aargau belegt mit 21 Tötungsdelikten den dritten Platz, gefolgt von den Kantonen Bern (16), Waadt (15) und Basel-Stadt (13).

«Nichts als reiner Zufall»

Warum passieren auffällig viele brutale Verbrechen ausgerechnet im Kanton Aargau? Strafverteidiger Valentin Landmann macht die hohe Bevölkerungszahl des Kantons für die Häufung verantwortlich. Einen kausalen Zusammenhang zwischen den Morden und dem Kanton gebe es keinen. «Mit so wenigen Fällen kann man nicht mehr als sagen: Zufall!»

Einen Zusammenhang sieht auch der forensische Psychiater Thomas Knecht nicht: «Es gibt einerseits Taten, die völlig zufällig auftreten. Dazu gehören Tötungen von Geisteskranken und Triebtätern sowie Familendramen.» Andererseits gebe es konjunkturabhängige Taten. Ausschlaggebend seien hierbei die demographische Zusammensetzung, das Geschlecht und das Alter. «Je dichter ein Gebiet besiedelt ist, je mehr Männer es gibt, je grösser die Zahl der 18- bis 35-Jährigen und je schlechter die Wirtschaftslage, desto mehr Tötungsdelikte gibt es», sagt Knecht. Die Fälle im Kanton Aargau aber gehörten zur ersten Gruppe. «Das waren schicksalshafte Begegnungen zwischen Opfer und Täter.»

Im Aargau ist die Bevölkerung verunsichert

Der ehemalige Basler Kriminalkommissär Markus Melzl pflichtet bei: «Die Fälle Werner Ferrari, Daniel H. und Thomas N. sind zwar aussergewöhnlich, aber jeder steht für sich. Da gibt es keine Muster.»

«Für diese Häufung kann man nicht den Kanton verantwortlich machen», sagt Thomas Burgherr, Nationalrat und SVP-Präsident des Kantons Aargau. Dennoch sei die Bevölkerung verunsichert. «Viele überlegen sich jetzt zweimal, wen sie ins Haus lassen.»

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