Schiffsunglück in China«Warum hat der Kapitän das Schiff verlassen?»
Mehr als 400 chinesische Touristen freuten sich auf eine Kreuzfahrt durch die spektakuläre Drei-Schluchten-Region am Jangtse. Doch ein Zyklon setzte ihrem Ausflug ein jähes Ende.
- von
- chk
Tragödie auf dem Jangtse: Ein Kreuzfahrtschiff ist mit 458 meist älteren Chinesen an Bord gekentert und teilweise in dem riesigen Strom versunken. Stunden nach dem Unglück wurden am Dienstag zwar sechs Menschen aus dem Rumpf des Schiffs gerettet, so dass die offizielle Zahl der Überlebenden auf 18 stieg. Fünf Tote waren bestätigt. Doch war das Schicksal von mehr als 430 Menschen zunächst ungeklärt. Mehr als 50 Boote und 3000 Helfer wurden für eine Rettungsaktion bei Wind und Regen aktiviert.
Die rund 77 Meter lange «Eastern Star» war nach chinesischen Medienberichten am späten Montagabend auf dem Weg von der Stadt Nanjing stromaufwärts zur Millionenmetropole Chongqing - auf einer Tour der beliebten Drei-Schluchten-Region. In einem Zyklon kenterte das Schiff und sank binnen weniger Minuten nahe Damazhou an einer Stelle mit 15 Meter tiefem Wasser, wie Staatsmedien meldeten. Danach wurde es rund drei Kilometer weit abgetrieben und lag dann umgedreht teilweise im Wasser.
Suche mit Klopfzeichen
Hoffnung setzten die Retter auf mögliche Luftpolster im Inneren des vierstöckigen Schiffs. Aus dem Rumpf hörten Rettungskräfte noch zwölf Stunden nach dem Kentern Hilferufe und Klopfzeichen. Fernsehbilder zeigten Einsatzkräfte in orangenen Rettungswesten auf dem umgedrehten Schiffsrumpf, der etwa einen Meter aus dem Wasser ragte. Einer der Helfer klopfte mit einem Hammer auf das Metall und wartete auf eine Antwort aus dem Inneren.
Zunächst meldete das Staatsfernsehen, dass eine 65-Jährige aus dem Schiff gezogen worden sei. Später war die Rede von fünf weiteren Geretteten. Zwölf Menschen hatten sich bereits direkt nach der Havarie schwimmend gerettet.
Kritik am Kapitän
Unter den Überlebenden waren der Kapitän und der Chefingenieur des Schiffs. Sie wurden nach einem Bericht des Staatsfernsehens CCTV festgenommen. Insgesamt befanden sich dem Bericht zufolge an Bord 406 chinesischePassagiere, fünf Mitarbeiter von Reiseagenturen und 47 Besatzungsmitglieder. Die meisten Passagiere waren demnach 50 bis 80 Jahre alt.
Angehörige zeigten sich verzweifelt. Die 49-jährige Huang Yan aus Shanghai berichtete einem Reporter weinend, sie vermute ihren Mann und ihren Vater in dem Schiff. «Warum hat der Kapitän das Schiff verlassen, während die Passagiere immer noch vermisst werden?», fragte sie. «Wir wollen, dass die Regierung die Namensliste veröffentlicht, um zu sehen, wer an Bord war.»
Es geschah hier, auf dem Fluss Jangtse: In China ist ein Schiff mit weit mehr als 400 Menschen an Bord gesunken. (Video: Reuters)
Die meisten Mitfahrenden hatten ihre Reise in Shanghai begonnen und sich in Nanjing eingeschifft. Besitzer des Schiffes ist eine Gesellschaft aus Chongqing, die sich auf solche Touren spezialisiert hat. Der Jangtse ist der drittgrösste Fluss der Welt. Der chinesische Regierungschef Li Keqiang machte sich auf den Weg zur Unglücksstelle. Präsident Xi Jinping ordnete an, dass ein Einsatzteam der staatlichen Führung vor Ort die Rettungsarbeiten leiten solle.
(chk/sda/dapd)