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Studie WohneigentumWarum jüngere Leute mit Wohneigentum zögern

Nach 2020 wird der Immobilienmarkt einem «Stresstest» unterzogen. Ein Problem wird sich in Zukunft besonders verschärfen.

Franziska Kohler
von
Franziska Kohler
Die Baubranche wird den Einbruch besonders zu spüren bekommen.

Die Baubranche wird den Einbruch besonders zu spüren bekommen.

Keystone/Arno Balzarini

Es ist der Lebensentwurf einer ganzen Generation – jener Generation, die sich nun im Pensionsalter befindet oder darauf zusteuert: Geld sparen, ein bisschen Land kaufen, ein Haus bauen, eine Familie gründen. Und schliesslich, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, das Haus vererben oder verkaufen. Um den Lebensabend anderswo zu verbringen, zum Beispiel in einer kleinen Wohnung. Doch was, wenn der letzte Schritt nicht so problemlos gelingt wie angenommen? Weil die Kinder das Haus nicht übernehmen wollen oder sein Wert auf dem Markt gefallen ist?

Laut einer neuen Studie der Credit Suisse zum Schweizer Immobilienmarkt dürfte dieses Szenario in Zukunft weit häufiger eintreten. Die Grossbank hat die Demografie der Schweizer Wohneigentümer im Zeitverlauf analysiert und ist zum Schluss gekommen: Nach 2020 wird der Markt einem «Stresstest» unterzogen, weil die Nachfrage nach neuem Wohneigentum einbricht. Einerseits werden die Wohneigentümer immer älter. Andererseits kommen geburtenärmere Jahrgänge nach, die zudem immer länger warten, bis sie sich die eigenen vier Wände leisten.

Nachfrage wächst nicht weiter

In den letzten 15 Jahren hat die Zahl jener, die ein Haus oder eine Wohnung besitzen, um ganze 26 Prozent zugenommen. Verantwortlich für diesen steilen Anstieg sind laut der CS vor allem die Babyboom-Jahrgänge, also die heute 59- bis 69-Jährigen. Sie haben die Nachfrage nach Wohneigentum angekurbelt und stellen dementsprechend die grösste Anzahl Wohneigentümer. Eine 69-Jährige lebt mit einer Wahrscheinlichkeit von 54 Prozent im eigenen Heim. Bei den 40-Jährigen sind es nur 36 Prozent, bei den 35-Jährigen sogar nur 22 Prozent. Im Durchschnitt sind die Besitzer von Eigentumswohnungen oder Häusern heute 57 Jahre alt, drei Jahre älter als noch im Jahr 2000. Im Vergleich zu früher sind die Menschen ausserdem älter, wenn sie sich zum ersten Mal eine eigene Wohnung oder ein Haus kaufen.

Auf Basis dieser Erkenntnisse hat die CS berechnet, wie sich die Nachfrage nach neuem Wohneigentum bis 2040 entwickeln wird. Seit 2001 wurden jedes Jahr zwischen 15'000 und 25'000 zusätzliche Wohneinheiten nachgefragt, seit 2010 sank der Wert nie unter 20'000. In den nächsten beiden Jahren dürfte er sich ebenfalls noch halten, sofern sich Preise und Zinsniveau nicht gravierend verändern. Ab 2018 wird der Wert dann aber unter 20'000 fallen und sich nicht mehr erholen. Zwischen 2030 und 2040 dürfte die Nachfrage nach neuem Eigentum sogar auf 9000 Wohneinheiten pro Jahr sinken – das wäre noch knapp ein Drittel des Wertes von 2008. Die Studienautoren machen hier zwar keine Unterscheidung zwischen Einfamilienhäusern und Wohnungen. Sie gehen aber davon aus, dass Häuser vom Rückgang stärker betroffen sein werden. Einerseits, weil viele Menschen gerade im Alter das Haus durch eine Eigentumswohnung ersetzen. Andererseits, weil die Nachfrage nach Wohnraum in den Zentren weiterhin stabil bleiben dürfte, und dort werden vornehmlich Wohnungen gekauft.

Folgen für die Bauwirtschaft

Dieser Einbruch wird vor allem für zwei Akteure Konsequenzen haben: die Bauindustrie und die Wohneigentümer selbst. Die Baubranche muss sich mittelbis langfristig auf eine spürbar tiefere Nachfrage nach Wohneigentum einstellen, das heisst: weniger Aufträge im Neubausegment. Dabei hat gerade diese Industrie schon jetzt mit Rückgängen zu kämpfen. 2015 schrumpften die Neubauinvestitionen bei Einfamilienhäusern um 11,5 Prozent, bei Mehrfamilienhäusern um 5,2 Prozent. Die gesamten Hochbauinvestitionen sanken um 3,8 Prozent (Neubau) beziehungsweise 4,1 Prozent (Umbau).

Die Wohneigentümer wiederum müssen sich Gedanken machen, wie die Verkaufspreise reagieren werden, wenn dereinst das Interesse an ihrem Besitz nicht mehr so gross ist wie heute. Das betreffe allerdings vor allem jene, die abseits der grossen Zentren wohnen, sagt Studienautor und CS-Immobilienexperte Fredy Hasenmaile. «An zentralen Lagen wächst die Bevölkerung weiter, die Nachfrage und damit die Preise dürften stabil bleiben. Anders sieht es in der Peripherie aus. Dort müssen Wohneigentümer damit rechnen, dass ihre Immobilien in 10 bis 20 Jahren nicht mehr so viel wert sind wie heute.»

Was die Credit Suisse anhand von demografischen Daten berechnet hat, erlebt die Planungs- und Architektursoziologin Joëlle Zimmerli im Alltag. «In den vergangenen Jahrzehnten wurden viele Häuser mit ungünstigen Grundrissen an Lagen gebaut, die aus heutiger Sicht schlecht sind», sagt Zimmerli. «Ihre Besitzer kommen nun langsam in ein Alter, in dem sie an den Verkauf denken. Und müssen merken, dass dies alles andere als einfach ist.» Denn die jüngeren Generationen zögerten länger, bis sie sich an Wohneigentum binden, wenn sie es denn überhaupt tun. Und sie interessierten sich vor allem für Eigentum in Zentrumsnähe. «In der Peripherie ist es schon heute spürbar schwieriger, Einfamilienhäuser zu verkaufen», sagt Zimmerli. Der Generationenwechsel werde erschwert – ein Problem, das sich in Zukunft verschärfen dürfte.

Dieser Artikel erschien Anfang März im «Tages-Anzeiger».

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