Offizielle Empfehlung des BAGWarum sollten sich Kinder und Teenager überhaupt impfen lassen?
Der Bund hat eine Impfempfehlung für Jugendliche ab 12 Jahren abgegeben. Warum sollen sich Teenager impfen lassen? Sind die Impfrisiken nicht vielleicht höher als die Vorteile einer Immunisierung?
- von
- Karin Leuthold
Darum gehts
Das BAG und die Kommission für Impffragen empfehlen eine Impfung für alle Kinder zwischen zwölf bis 15 Jahren, die sich impfen lassen wollen.
Christoph Aebi, Kinderinfektiologe am Inselspital Bern und Mitglied der Impfkommission, klärt die wichtigsten Fragen zum Thema.
Die Vorteile seien gross, die Nebenwirkungen sehr gering, meint der Fachexperte.
Das BAG und die Kommission für Impffragen empfehlen seit Dienstag eine Impfung für Jugendliche zwischen zwölf bis 15 Jahren. Dabei stellte Christoph Berger, Präsident der Impfkommission, in einer Pressekonferenz klar, dass ein Jugendlicher selber entscheiden dürfe, ob er geimpft werden möchte. Berger geht davon aus, dass die Jugendlichen mit ihren Eltern über eine allfällige Impfung sprechen. Er bezeichnet die Impfung als «wertvoll» für jene, die mit einer immungeschwächten Person zusammenleben.
Viele Fragen blieben jedoch ungeklärt. Wieso sollten sich Kinder und Jugendliche impfen lassen, wenn sie normalerweise ein geringes Risiko haben, schwer an Covid-19 zu erkranken? Und: Sind nicht vielleicht die Impfrisiken grösser als die einer Covid-Erkrankung? Der «Tages-Anzeiger» klärte diese und weitere brennende Fragen mit Christoph Aebi, Kinderinfektiologe am Inselspital Bern und Mitglied der Impfkommission, ab.
In Bezug zu den allfälligen Impfrisiken meint Aebi, es sei anzunehmen, dass sich die Sicherheit des Impfstoffs mit mehr Daten erhärten werde, während das seltene, aber relevante Risiko für das gefährliche PIMS-Syndrom bleibe, solange das Virus weiter zirkuliere. Beim PIMS-Syndrom können bei jungen Patienten mit schweren Krankheitsbildern Entzündungen, Hautausschläge und Halsweh vorkommen. Das Herz und die Gefässe werden in Mitleidenschaft gezogen, es besteht meist akute Lebensgefahr.
Wie sind die Nebenwirkungen bei Jugendlichen?
Die zugelassene Pfizer/Biontech-Impfung bei Teenagern zeige eine Wirksamkeit von 100 Prozent, erklärt Aebi. Über generelle Nebenwirkungen meint der Kinderinfektiologe: «Sie sind in Häufigkeit und Intensität gleich wie bei jungen Erwachsenen.» Über langfristige Nebenwirkungen könne Aebi noch nichts sagen, dafür sei der Beobachtungszeitraum noch zu kurz. Aus dem Grund begründet er, dass die Impfung «nur für diejenigen gesunden Teenager ausgesprochen wird, die sich impfen lassen wollen».
Wer soll aber mit der Impfung bei Jugendlichen schlussendlich geschützt werden: Der Geimpfte selber oder die anderen? Mit anderen Worten: Geht es dem BAG eigentlich eher darum, eine hohe Impfrate zu erreichen? Es gehe ausschliesslich um den Individualschutz, betont Impfkommissionsmitglied Christoph Aebi gegenüber dem Tagi. Die 12- bis 15-Jährigen machen nur vier Prozent der Bevölkerung aus. Auch bei hypothetischer hundertprozentiger Durchimpfung würde kein entscheidender Beitrag zur Herdenimmunität geleistet werden können.
Durchimpfung ist für den Schulbetrieb «irrelevant»
In Bezug zu Long Covid meint Aebi, es gebe keine verlässlichen Zahlen dazu. Allerdings erklärte kürzlich der deutsche Epidemiologe Christian Drosten, dass 4,5 Prozent der in einer Studie befragten erkrankten Kinder und Jugendlichen noch lange nach der Infektion mit Symptomen zu kämpfen gehabt hätten.
Für den Schulbetrieb im kommenden Herbst sei die Durchimpfung der Kinder und Jugendlichen irrelevant, stellt Aebi klar. Massentests im Frühjahr 2021 zeigten nur sehr wenige Infektionen bei Kindern und Jugendlichen und keine Superspreader-Events.
Wer sich impfen lassen wolle, erhalte dieselbe Dosis wie Erwachsene. Auch der Abstand zwischen der ersten und der zweiten Dosis betrage vier Wochen. Am Schluss erhielten auch Kinder und Jugendliche ein EU-kompatibles Impfzertifikat, sagt Aebi.