PrognosenWas 2015 der Schweizer Wirtschaft bringt
Verteidigt die Nationalbank den Mindestkurs weiter? Hat der Benzinpreis den Tiefpunkt erreicht? Was die Schweizer Wirtschaft erwartet – ein Ausblick.
- von
- S. Spaeth
2015 könnte für die Schweizer Wirtschaft einiges besser werden als im laufenden Jahr. Den Motor dafür bildet das billige Rohöl, wodurch der Bevölkerung mehr Geld für den privaten Konsum bleibt. Laut den Ökonomen der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich steigt der Privatkonsum von heuer 1,1 Prozent auf 2,1 Prozent im Jahr 2015. Insgesamt rechnet die KOF mit einem Wirtschaftswachstum von 1,9 Prozent. Beschleunigen dürften sich auch die Exporte: Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) rechnet hier mit einer Zunahmen von 4,7 Prozent.
• Tourismus: Weniger Russen – mehr Deutsche
2014 war vielerorts eine Tourismussaison zum Vergessen. Das Regenwetter im Sommer hat so manchem Hotel einen Strich durch die Rechnung gemacht. Im kommenden Jahr soll sich nun vieles ändern. Schweiz Tourismus geht davon aus, dass Inländer für 1,7 Prozent mehr Hotelübernachtungen sorgen werden. Sogar um 2,5 Prozent steigen soll die Nachfrage bei ausländischen Gästen. Im Oktober hat Schweiz Tourismus die Kampagne «Grüezi Deutschland» lanciert. «Wir möchten Gäste zurückgewinnen, die wir in den letzten Jahren verloren haben», so Sprecherin Daniela Bär. Der Schweiz fernbleiben dürften 2015 viele Russen. Für die laufende Wintersaison erwarten die Touristiker 10 bis 30 Prozent weniger Übernachtungen von Russen.
• Detailhandel kommt nicht vom Fleck
Seit Jahren kommt der Schweizer Detailhandel nicht mehr richtig voran. Er stagniert bei rund 97 Milliarden Franken Umsatz. «Auch 2015 wird der Sektor keine grossen Sprünge machen. Die meisten Märkte sind gesättigt», sagt GfK-Detailhandelsexperte Thomas Hochreutener. Die grosse Herausforderung 2015 besteht für viele Akteure darin, den Online- mit dem stationären Handel zu verbinden. «Die Konsumenten möchten alle Kombinationen: online kaufen, im Laden retournieren oder umgekehrt», so Hochreutener.
• Banken werden für Steuersünden büssen
Das ablaufende Jahr stand im Zeichen des Steuerstreits mit den USA. Die Credit Suisse bezahlte für die Einigung mit den US-Behörden 2,6 Milliarden Dollar. Zwar sind die Grossbanken aus dem Schneider, doch rund 100 Schweizer Finanzinstitute sind weiterhin im US-Programm zur Lösung der Steuersünden. «Es ist im Sinne der Banken, wenn die Bereinigung so rasch wie möglich abgeschlossen werden kann», heisst es bei der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg). Steuerfragen werden 2015 wichtig bleiben. Insbesondere der Übergang zum automatischen Informationsaustausch mit dem Ausland werde für die Banken eine Herausforderung darstellen, so die SBvg.
• Bautätigkeit geht trotz günstigen Hypotheken zurück
Aus Angst vor einer Immobilienblase haben Banken und Behörden die Vergabekriterien für Hypotheken verschärft: Auf dem Bau dürfte es darum 2015 seit Langem wieder zu einem Rückgang der Investitionen kommen. Die Ökonomen der ZKB rechnen mit einem Minus von 0,5 Prozent. Grund für den Rückgang ist auch die Annahme der Zweitwohnungsinitiative, deren Effekte nun verstärkt durchschlagen. Die Zahl der Baugesuche geht zurück. Günstig bleiben dürften die Hypotheken. Die Zinswende lasse auch 2015 auf sich warten, heisst es bei der ZKB.
• Mindestkurs verteidigen wird schwieriger
Für die Schweizerische Nationalbank (SNB) wird es 2015 schwieriger, den 1.20-Franken-Mindestkurs zum Euro zu verteidigen. Grund dafür ist die schwächelnde Eurozone. Voraussichtlich Ende Januar wird die Europäische Zentralbank Anleiheankäufe ankündigen, was den Franken unter Aufwertungsdruck bringt. «Ein Ende der Mindestkurspolitik wäre für die Glaubwürdigkeit der Nationalbank ein schwerer Schlag», sagt Anastassios Frangulidis, Chefökonom der ZKB. Er geht davon aus, dass der Mindestkurs auch im neuen Jahr Bestand haben wird. Um gegen den starken Franken anzukämpfen, hat die SNB im Dezember Negativzinsen eingeführt. «Diese Politik wird die SNB 2015 behalten, wobei eine weitere Erhöhung der negativen Zinsen vorstellbar ist», so Frangulidis.
• Mehr Jobs in der Industrie
An der Jobfront bringt 2015 nur eine kleine Veränderung. Die ZKB geht davon aus, dass die Arbeitslosenquote 2015 lediglich um 0,1 Prozentpunkte auf 3,1 Prozent sinken wird. Eine Beschäftigungszunahme sieht das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in der Industrie. Der Sektor hat seit der Finanzkrise in den in den letzten sechs Jahren per Saldo rund 35'000 Jobs verloren.
• Die Smartwatch nicht unterschätzen
2015 kommt die Smartwatch von Apple in den Handel. Was bedeutet das für die Schweizer Uhrenindustrie? «Wir erwarten keine negativen Auswirkungen für das traditionelle Uhrenhandwerk», sagt Jean-Daniel Pasche, Präsident des Uhrenverbandes. Zudem würden bald auch Schweizer Hersteller intelligente Uhren auf den Markt bringen. Vor der Gefahr, die Smartwatch zu unterschätzten, warnt Hublot-Präsident Jean-Claude Biver: «Chancen hat die Uhr bei der jungen Generation. Die Jungen denken anders und haben eine andere Beziehungen zur Technologie.» Von 2 bis 3 Prozent Wachstum geht Jean-Claude Biver aus, was etwa der Entwicklung von 2014 entspricht.
Rohöl als Motor
Das günstige Öl hilft der ganzen Wirtschaft. Bleibt der Preis fürs Barrel Rohöl (159 Liter) auf dem Niveau von unter 65 Franken, wird die Weltwirtschaft 0,4 Prozentpunkte zusätzlich wachsen. Für Europa sind es 0,3 Prozentpunkte, wie die Ökonomen der ZKB anlässlich ihrer Präsentation des Konjunkturausblicks 2015 bekanntgaben. Grund für den Preiszerfall ist das Überangebot sowie das verlangsamte Wirtschaftswachstum. Fällt das Barrel unter die Marke von 70 Dollar, übersteigen in vielen Ländern die Produktions- die Förderkosten, wodurch mittelfristig die Produktionsmenge zurückgeht. Denkbar ist auch, dass sich die Organisation der Erdölfördernden Länder (Opec) 2015 zu einer Reduktion der Fördermenge durchringen kann. (sas)