Medizinische Abklärung: Was Ärzte über Ihr Sexleben wissen sollten

Aktualisiert

Medizinische AbklärungWas Ärzte über Ihr Sexleben wissen sollten

Bei Fragen zum Sexualleben ihrer Patienten verhalten sich viele Mediziner offenbar zurückhaltend. Eine verpasste Chance, denn das offene Gespräch kann Hinweise auf Erkrankungen geben.

von
Yves Duc
SDA

Wie eine Untersuchung in Lausanne zeigt, würden 90 Prozent der Befragten in der Arztpraxis gerne Aspekte der Sexualität diskutieren, doch nur 61 Prozent wurden von ihrem Arzt auf das Thema angesprochen.

95 Prozent der 1500 befragten Männer fänden es normal, wenn der Arzt ihnen im Rahmen der Prävention und Gesundheitsinformation Fragen zur Sexualität stellen würde. Solche Fragen wären zwar 15 Prozent peinlich oder ziemlich peinlich - trotzdem möchten die meisten von ihnen, dass der Hausarzt das Thema anspricht.

Wie die Forscher des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin des Lausanner Universitätsspitals im Fachmagazin «Swiss Medical Weekly» berichten, schnitten aber nur sechs von zehn Hausärzten der Befragten das Thema an. Über die eigene Sexualität sprechen konnten sogar nur rund 40 Prozent.

Nicht in Verlegenheit bringen

Ebenfalls nur 40 Prozent sprachen mit ihrem Hausarzt über die Vorbeugung sexuell übertragbarer Krankheiten wie HIV, Hepatitis oder Syphilis. Und nur je ein Fünftel wurde vom Arzt nach der sexuellen Ausrichtung, der Zahl der Sexualpartner und nach den verwendeten Verhütungsmitteln gefragt.

Rund 40 Prozent der Befragten hätten also noch nie mit ihrem Arzt über Sexualität gesprochen, sagte Studienmitautorin Françoise Dubois- Arber vom Unispital Lausanne auf Anfrage der SDA. Und in den übrigen Fällen sei das Thema oft nur unvollständig und oberflächlich behandelt worden.

Die Forscher vermuten, dass sich Ärzte oft zurückhalten, weil sie glauben, die Fragen wären dem Patienten peinlich. Zu diesem Schluss kamen Studien aus dem Ausland. Solche Befragungen zeigen umgekehrt aber auch, dass viele Patienten befürchten, ihren Arzt mit einem Gespräch zum Thema Sex in Verlegenheit zu bringen.

«Verpasste Verabredung»

Aus diesem Grund sprechen die Wissenschaftler auch von einer «verpassten Verabredung»: Beide Seiten sind im Grunde bereit, über das Thema zu sprechen oder hoffen es sogar. Doch beide erwarten, dass der Partner die Initiative ergreift.

Zudem stellten die Forscher fest, dass in der Gruppe ohne Diskussion über Sex Männer übervertreten waren, die ihre Kenntnisse der sexuell übertragbaren Krankheiten als gering einschätzten. Das könnte darauf hindeuten, dass die Ärzte nicht erkannten, bei wem Aufklärungsbedarf bestand.

Führungsrolle für Ärzte

Für Dubois-Arber zeigen die Daten, dass das Sexualverhalten des Patienten ein Teil der Krankengeschichte ist, den der Arzt routinemässig aufnehmen sollte. Dass dies momentan nicht geschehe, sei auch deshalb bedauernswert, weil sexuell übertragbare Krankheiten wieder häufiger werden.

Zudem wünschten sich dies sogar die Patienten selbst. Es sei wichtig, den Hausärzten diese Erwartungen der Patienten klar zu machen, schreiben die Forscher. Denn in der Praxis wird der Anstoss wohl vom Arzt ausgehen müssen: Ihm weisen die Patienten im Normalfall die Führungsrolle zu.

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