Parasitäre FleischeslustWas frisst sich denn da durch mein Gesicht?
Wenn einer eine Reise tut, dann bringt er etwas mit. Adam Spencer hielt sich dabei - völlig unfreiwillig - an ein Souvenir der besonderen Art.
- von
- Runa Reinecke
Romantisch soll sie werden, die Reise von Adam Spencer und seiner Verlobten Shalynn Pack. In Südamerika will Spencer um die Hand seiner Liebsten anhalten, doch herhalten muss stattdessen seine rechte Wange: Sie sind gerade in Bolivien angekommen und der kleinen Hautveränderung in seinem Gesicht misst Spencer keine Bedeutung bei. Doch die Wunde wächst, und wenig später überdecken dicke Krusten das immer grösser werdende, blutende und eiternde Mal.
Noch während des Aufenthalts in Südamerika bekommt er von einem Arzt Antibiotika, doch die Therapie schlägt kaum an. Zurück in den USA wird Spencer auf eine Staphylokokken-Infektion untersucht, aber der Test fällt negativ aus. «Wir wussten nicht, ob oder wann das aufhört», erzählt Shalynn Pack im Interview mit dem Discovery Channel. Die sich mysteriös ausbreitende Wunde wird von Tag zu Tag bedrohlicher, erinnert sich Pack: «Sie bewegte sich immer mehr auf Adams Auge zu. Das war unglaublich beängstigend.»
Ekelhaft, aber nicht lebensbedrohlich
Erst eine weitere Laboranalyse bringt Gewissheit: Adam Spencer leidet unter einer Haut-Leishmaniose. Durch seine Wange fressen sich Parasiten, die von der Schmetterlingsmücke übertragen werden. Der 23-Jährige aus Veneta im US-Bundesstaat Oregon hat Glück im Unglück, denn unter den ungefähr 20 verschiedenen Spezies von Leishmanien tummeln sich Arten, die unter Umständen eine lebensbedrohliche Krankheit, die sogenannte viszerale Leishmaniose, auslösen können. «Bei dieser Form sind die Organe, vornehmlich die Leber, die Milz und das Knochenmark betroffen. Unbehandelt kann sie tödlich verlaufen», weiss Reto Brun, Professor für medizinische Parasitologie am Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institute in Basel.
Der Stich der häufig von Leishmanien befallenen Schmetterlingsmücke ist an sich klein und unauffällig. In der Regel bleibt es dabei: Eine Infektion mit dem Parasiten führt nur selten zum Krankheitsbild einer viszeralen Leishmaniose. Zu einem Ausbruch des Leidens kommt es gemäss Brun insbesondere bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem, zum Beispiel bei AIDS-Kranken oder bei Menschen, die nach einer Transplantation oder aufgrund einer Autoimmunerkrankung immunsupprimierende Medikamente bekommen.
Leishmanien lauern fast überall
Anders verhält es sich mit der Haut-Leishmaniose: «An ihr erkranken auch gesunde Menschen, da selbst ein funktionierendes Immunsystem den eingedrungenen Parasiten nicht erkennt.»
Stark verbreitet ist die Schmetterlingsmücke «in Ländern des nahen Ostens, von Israel bis in die Golfregion». Auch in Südamerika und Ostafrika, aber auch im Mittelmeerraum komme sie vor: Hier sei vor allem die viszerale Form verbreitet - und die könne auch für Vierbeiner gefährlich werden: Hunde seien besonders anfällig für die Krankheit, meint der Professor, allerdings könnten sie die Parasiten nicht auf den Menschen übertragen.
Nur wenige Fälle in der Schweiz
Grund zur Panik besteht aber weder für Mensch noch Tier, wie der Experte für Tropenmedizin bestätigt: «Die Haut-Leishmaniose sehen wir hier in Basel weniger als zehn Mal im Jahr, die viszerale Form der Erkrankung etwas häufiger.» Fällt der Befund positiv aus, folgt eine medikamentöse Therapie.
Auch Adam Spencer wurde dank ärztlicher Hilfe von seinen Parasiten befreit. Die Wunde an der Wange, die aufgrund einer zusätzlichen bakteriellen Infektion Eiter absonderte, ist längst verheilt. Nun steht den Hochzeitsvorbereitungen nichts mehr im Wege.
Was ist Leishmaniose?
Experten wie Reto Brun, Professor für medizinische Parasitologie am Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institute in Basel unterscheiden grundsätzlich drei Formen der Leishmaniose, die von ungefähr 20 verschiedenen Spezies von Leishmanien (Parasiten) ausgelöst werden können.
Während die Haut-Leishmaniose, die sich in ihrer Ausbreitung auf ein bestimmtes Areal der Haut beschränkt, nicht lebensbedrohlich ist, kann die viszerale Leishmaniose gefährlich werden: Bei dieser Form sind die Organe, vornehmlich die Leber, die Milz und das Knochenmark betroffen. Sie kann unbehandelt tödlich verlaufen. Eine weitere Form der Erkrankung stellt die Schleimhaut-Leishmaniose dar. Eine Haut-Leishmaniose äussert sich in der Regel durch ein kreisrundes Geschwür. Die Wunde nässt und fällt durch Verschorfungen auf und heilt in der Regel nach ein paar Monaten von alleine wieder ab. Die viszerale Leishmaniose macht sich durch Fieber, eine Vergrösserung von Leber und Milz sowie eine Beeinträchtigung des Blutbildes bemerkbar. Unbehandelt kann sie zum Tode führen.
Weltweit sind rund 12 Millionen Menschen mit Leishmanien infiziert. Davon erkranken jährlich etwa 350 000 Personen an der viszeralen, also der gefährlichen Form - zwischen 50 000 und 70 000 Menschen sterben daran. Betroffen sind dem Experten zufolge vor allem die Bewohner von Bangladesch und Nordindien.
Eine medikamentöse Prophylaxe gibt es nicht. Schutz vor den vor allem während der Dämmerung und der Nacht aktiven Mücken bieten Bekleidung, die Arme und Beine bedecken und chemische Mückenabwehr-Mittel. Moskito-Netze bringen laut Brun nichts: «Die Schmetterlingsmücke ist so klein, dass sie durch die Maschen der Netze passt.»