Was führt die Lufthansa im Schild?
Die Lufthansa hat völlig überraschend eine kräftige Kapitalerhöhung angekündigt und damit bei Branchenexperten und an der Börse für Rätselraten über die wahren Motive gesorgt.
Das frische Kapital von mindestens 750 Millionen Euro will der Konzern nach offiziellen Angaben vor allem in den Ausbau der Langstreckenflotte, unter anderem in den neuen Riesenairbus A380, stecken. Branchenkenner vermuten dagegen, dass eine Übernahme, die vorerst noch geheim bleiben soll, der eigentlich Grund sein könnte.
In diesem Zusammenhang machte wieder der Name Swiss in Expertenkreisen die Runde. Lufthansa hatte der finanziell angeschlagenen Schweizer Fluggesellschaft im Vorjahr ein Übernahmeangebot gemacht, doch die Schweizer entschieden sich für eine Kooperation mit dem Lufthansa-Konkurrenten British Airways. Der Beitritt der Swiss zur OneWorld-Allianz ist allerdings seit kurzem blockiert, da die Schweizer sich bislang mit den Briten bei der Zusammenführung der Vielfliegerprogramme nicht handelseinig wurden.
Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber begründete die grösste Kapitalerhöhung in der Unternehmensgeschichte mit der geplanten Flottenerweiterung um den A380, Investitionen zur Vorbereitung des Flugbetriebs und in die Infrastruktur. «Bereits heute sind wir im Interkontinentalverkehr sehr gut positioniert. Dieses attraktive Marktsegment erfährt in den nächsten Jahren durch die Flottenexpansion und die Einführung des Airbus A380 einen neuen Wachstumsschub», sagte er. Lufthansa hat bis jetzt 15 A380 fest bestellt. Das Flugzeug mit 555 Sitzen soll im Frühjahr 2006 an die Kunden ausgeliefert werden.
Mayrhuber erklärte weiter, der neue A380 werde auf Grund seiner hohen Sitzplatzkapazität und der um rund 20 Prozent niedrigeren Stückkosten auf Langstrecken zu deutlichen Kostenvorteilen führen, von denen die Airline profitieren werde. Der Vorstandschef sprach von einem «Riesenwettbewerbsvorteil». «Lufthansa ist extrem gut positioniert», betonte er.
Merrill Lynch: Begründung schwer nachvollziehbar
Analysten der Investmentbank Merrill Lynch betonten, die Begründung der Lufthansa für die Kapitalaufstockung sei schwer nachvollziehbar. Lufthansa habe in der Branche die beste Bilanz, und die Cash-Flow-Prognose erscheine mehr als ausreichend, um geplante Ausgaben für den Ausbau des Langstreckennetzes zu decken.
Die Börse reagierte auf die angekündigte Kapitalerhöhung negativ. Der Kurs der Lufthansa-Aktie brach bis zum Nachmittag um fünf Prozent auf 11,50 Euro ein. Kapitalerhöhungen senken üblicherweise den Wert alter Aktien, da deren Anteil am Grundkapital automatisch sinkt.
Die neuen Aktien werden von einem Bankenkonsortium unter Führung von Dresdner Kleinwort Wasserstein und Morgan Stanley übernommen, die den Aktionären die Scheine zum Bezug anbieten. Daraus lässt sich ableiten, dass die Banken die Kapitalerhöhung zunächst aus eigenen Mitteln finanzieren. Der endgültige Ausgabepreis für die neuen Anteilsscheine soll voraussichtlich am 1. Juni bekannt gegeben werden. Die Aktionäre können voraussichtlich vom vom 3 bis 16. Juni ihr Bezugsrecht ausüben und eine neue Aktie für je fünf alte beziehen.
Die Lufthansa erwartet nach eigenen Angaben für das Gesamtjahr neben einem deutlich besseren operativen Ergebnis auch ein positives Konzernergebnis. Im traditionell schwachen ersten Quartal hatte der Konzern den operativen Verlust deutlich um rund 72 Prozent auf 116 Millionen Euro verringert. (dapd)