WG-SprechWas Ihr Mitbewohner eigentlich sagen will
Wer in eine Wohngemeinschaft einziehen will, sollte sich seine zukünftigen Mitbewohner genau anschauen – und gut zuhören.
- von
- M. Siegenthaler
Theoretisch ist eine Wohngemeinschaft eine gute Sache. In der Praxis ist es aber in der Regel so, dass wildfremde Leute auf kleinem Raum zusammenwohnen und sich Kühlschrank, Klo und manchmal auch die Katze teilen. Da gilt es genau hinzuschauen, bevor man einzieht – und auch die Formulierungen auf Ronorp, an Anschlagbrettern und in Immobilieninseraten kritisch zu hinterfragen. Ein paar Beispiele mit Übersetzungshilfe.
«Ruhiger, ordentlicher und sauberer Mitbewohner, gerne Wochenaufenthalter, gesucht.»
Heisst: Leider kann ich mir die Wohnung allein nicht leisten, muss also wohl oder übel einen Mitmieter finden. Aber zumindest am Wochenende hätte ich gern meine Ruhe und die Wohnung für mich alleine. Ja, und ich mag es aufgeräumt und sauber.
«Du solltest Interesse an einem aktiven, familiären Zusammenleben haben.»
Das tönt sehr nach mehr als einem gemeinsamen Znacht einmal pro Woche. Da drohen Ausflüge mit dem E-Bike, gemeinsames Kompostieren und lustige Poker- oder Jass-Runden.
«WG-Zimmer in schönem Haus mit viel Umschwung zu vermieten.»
Nein, die Idee ist nicht, dass man gemütlich im Liegestuhl unterm Apfelbaum entspannt, sondern tatkräftig mithilft beim Rasenmähen, Heckenschneiden und Laubrechen.
«Alleinerziehende Mutter sucht kinderfreundliche, häusliche und unkomplizierte Mitbewohnerin.»
Also gern jemanden, den Kinderlärm nicht stört und der abends auch mal ganz unkompliziert den Babysitter macht.
«Urbane Studenten-WG hat ein cooles Zimmer im trendigen Kreis 4 zu vermieten.»
Viel Miete, dafür wenig Probleme mit den Mitbewohnern, die nicht nur alle gleich aussehen, sondern sich auch häufig mit Gleichgesinnten in irgendwelchen Szene-Schüppen aufhalten.
«Kleines, gemütliches Zimmer in idyllischer Landgemeinde zu vermieten. Parkiermöglichkeit vorhanden.»
Da will wohl jemand auf einem einsamen Bauernhof weit ab von jeglichem ÖV noch ein leeres Dachkämmerchen zu Geld machen.
«Rüstiger Senior bietet junger Studentin gratis Wohnmöglichkeit gegen kleine Mithilfe im Haushalt.»
Das könnte eine Win-Win-Situation sein – oder aber ein Rückschritt ins Mittelalter, als die Knecht- bzw. Magdschaft gang und gäbe war.
«Weltoffene, antikapitalistische WG sucht Mitbewohner (m/f), der alternativen Lebensmodellen gegenüber tolerant ist und auf tierische Produkte jeder Art verzichten kann.»
Hoppla, da ist nix mit fröhlichem Würstegrillen auf dem Balkon, da kommt allenfalls ein Haloumi auf die Glut, begleitet von einer anregenden Diskussion um Gesellschaftsmodelle und die Dominanz des ökonomischen Prinzips, die jegliche Kreativität tötet. Miete muss aber trotzdem bezahlt werden.