Vieles bleibt unklarWas Lügen-Lance nicht gebeichtet hat
Von wegen Doping-Geständnis: Auch im zweiten Teil seiner grossen TV-Beichte sprach Lance Armstrong vor allem über sich. Wer auf Details aus seinem Dopingleben gehofft hatte, wurde enttäuscht.
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Bei allen sieben Tour-Titeln gedopt, mit allem was geht. Das gab Lance Armstrong bei seiner gross angekündigten Dopingbeichte bei Oprah Winfrey schon am Freitag zu. Im zweiten Teil vom Samstag erfuhr der Fernsehzuschauer dann allerdings nicht viel Neues. Armstrong sprach nur über den Grund für das Ende der Lügerei, wie seine Familie damit umgeht und was für ihn die schlimmsten Momente waren.
Schliesslich holte Armstrong doch noch nach, was er im ersten Teil des Interviews wohl vergessen hatte: Die Entschuldigung bei Teamkollegen, Freunden und sogar aufsässigen Medienvertretern. «Ich werde den Rest meines Lebens darauf verwenden, mich zu entschuldigen», sagte der gefallene Radstar, der sich selber «am Anfang eines langen Therapieprozesses» sieht.
Keine Details, keine Hintermänner
Wer auf die Enthüllung von Doping-Praktiken und Anschuldigungen gegen ehemalige Teamkollegen oder mächtige Verbündete gehofft hatte, wurde enttäuscht. So bleibt vieles im Dunkeln. Etwa die Unterstützer und Hintermänner, ohne die ein solcher Riesenbetrug undenkbar ist. Auch was mit den Schadenersatzforderungen, den Preisgeldern der Tour, dem verjährten Meineid und den drohenden Millionenklagen passiert, wurde nie angesprochen.
Dass es Armstrong unterliess, Namen zu nennen, lässt nach Ansicht von Beobachtern den Schluss zu, dass der gefallene Star den Behörden in einer ausgeweiteten Untersuchung des Dopings-Skandals als Kronzeuge dienen könnte und die Hintermänner so bekannt würden. Dann könnte Armstrong seines grosse Ziel doch noch erreichen: Die Aufhebung seiner lebenslangen Dopingsperre, die er bei Oprah als «Todesstrafe» bezeichnet hat.
Konfrontiert wurde Armstrong mit dem Vorwurf, versucht zu haben, die US-Anti-Doping-Behörde USADA während ihrer Ermittlungen gegen ihn zu bestechen. Dabei sei es um 150'000 Dollar gegangen. «Das ist nicht wahr», entgegnete Armstrong.
Hat Armstrong schon wieder gelogen?
Inzwischen wird Armstrong in den USA bereits wieder als Lügner hingestellt. Viele nehmen dem 41-jährigen Texaner nicht ab, dass er nach seinem Comeback 2009 nicht mehr gedopt hat. Armstrong hatte eingeräumt, seit Mitte der 1990er Jahre und auch bei seinen inzwischen aberkannten sieben Tour-de-France-Siegen zu verbotenen Substanzen gegriffen zu haben. Er hatte jedoch bestritten, nach seinem Comeback 2009 weiterhin gedopt zu haben. Warum er trotzdem mit Michele Ferrari weitergearbeitet hat, bleibt sein Geheimnis.
Die Welt-Antidoping-Agentur WADA hat Armstrongs Aussage sofort entschieden zurückgewiesen. «Die Beweise der US-Anti-Doping-Agentur USADA über Veränderungen in Armstrongs Blut zeigen mit absoluter Sicherheit, dass er auch nach 2005 gedopt hat», sagte WADA-Präsident John Fahey der britischen Zeitung «Daily Telegraph». Auf Twitter wird bereits spekuliert, dass Armstrong keine Chance auf eine Reduzierung der Sperre gehabt hätte, wenn er zugegeben hätte, auch nach dem Comeback gedopt zu haben.
Der 75-Millionen-Dollar-Tag
Das Doping-Geständnis wird Armstrong auf jeden Fall teuer zu stehen kommen. «Ich mag gar nicht daran denken, aber das war ein 75-Millionen-Dollar-Tag», sagte er in Anlehnung an den 10. Oktober 2012, als die USADA die Ergebnisse ihres Untersuchungsbericht veröffentlichte.
Die britische «Sunday Times» reichte bereits Klage ein und forderte Entschädigung für 500'000 Dollar, die das Blatt ihm in einem Verleumdungsprozess gezahlt hatte. Auch ehemalige Sponsoren und Teamkollegen drohen gegen Armstrong zu klagen. Das Vermögen des ehemaligen Radprofis wird auf etwa 100 Millionen Dollar geschätzt. Da kommt also nach was zu auf Lügen-Lance.