Türkin in der SchweizWeil sie Basketballer likte, erhält sie Morddrohung
Die Türkin K.L. lobte auf Facebook den NBA-Star Enes Kanter. Darauf bekam die 20-Jährige etliche Hasskommentare. Darunter war auch eine Morddrohung gegen ihre Eltern.
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K.L.* ist Türkin und lebt seit 15 Jahren in der Schweiz. Am Dienstag hat sie auf Facebook den türkischen Basketballer Enes Kanter geliket und dazu sinngemäss geschrieben: «Du bist ein toller Typ, es braucht mehr solche Menschen wie dich.» Ihr Lob habe sich auf seine sportliche Leistung bezogen, sagt sie zu 20 Minuten. Es sei nicht um die Tweets gegangen, in denen sich der NBA-Star kürzlich kritisch über Erdogan geäussert hatte. «Ich interessiere mich nicht für Politik.»
Trotzdem liessen die ersten Reaktionen nicht lange auf sich warten. Die 20-Jährige, die aus Angst anonym bleiben möchte, wurde wenige Minuten nach dem Facebook-Post bereits mit Beschimpfungen von Erdogan-Anhängern konfrontiert. In Rund 12 Kommentaren schleuderten diese ihr Hass und Beleidigungen entgegen. Doch dabei blieb es nicht.
«Deine Eltern werden wir umbringen, warte nur»
«Ich bekam in der Nacht mehrere Privatnachrichten auf Facebook, etwa zehn», so L. Eine davon enthielt nicht nur Beschimpfungen weit unter der Gürtellinie, sondern auch eine Morddrohung an ihre Eltern:
«Du Fethullah-Schlampe. Ich werde deine Brüder ficken. Du geficktes Kind. Die, die dich nicht ficken, ficke ich. Deine Eltern, deine Mutter und deinen Vater werden wir aufschneiden, warte nur. Mann, du Schlampe, ich werde meinen Schwanz in deine Fresse schieben.»
Anzeige erstattet
Sie sei weder politisch aktiv, noch habe sie sich jemals auf Facebook zu Recep Tayyip Erdogan oder Fethullah Gülen geäussert, sagt L. Mittlerweile werde aber offenbar jeder bedroht, der nicht ein glühender Fan des türkischen Präsidenten sei.
Die Mails haben L. Angst eingeflösst. Sie traue sich nicht mehr alleine auf die Strasse. «Ich stelle mir vor, wie der Facebook-Hater auf mich zukommt und mir etwas antut.» Sie habe am Freitag Anzeige gegen den Mann erstattet und stehe in Kontakt mit den Beamten. Die Polizei konnte dies am Sonntag noch nicht bestätigen.
«Drohungen dringend melden»
FDP-Nationalrätin Doris Fiala, Mitglied des Europarats, ist empört. Dass Erdogan-Anhänger im Internet Jagd auf Gülen-Sympathisanten machten, sei eines und an sich schon schlimm genug, so Fiala. «Aber dass man jetzt sogar wegen eines Posts zu einer sportlichen Leistung Morddrohungen erhält, ist unglaublich.» Ihrer Meinung nach sei es an der Zeit zu handeln.
Diese schockierenden Bedrohungen seien für unbescholtene Betroffene erschütternde Angstmacherei. Diesem primitivem Verhalten von Kriminellen und Feiglingen im Internet könne man nur mithilfe der Behörden entgegentreten. Damit wehrten sich Bedrohte zudem, setzten ein Zeichen und trügen aktiv etwas zum Kampf gegen die Radikalisierung bei.
Hebel auf allen Ebenen in Gang setzen
«Wir müssen nun auf sämtlichen Ebenen alle Hebel in Gang setzen: politisch, diplomatisch und rechtlich.» Es könne doch nicht sein, dass man sich als Schweizer Bürger davor fürchten müsse, ein Like auf Facebook zu setzen.
Fiala sagt ausserdem: «Es braucht eine unmissverständlich politische Stimme aus der Schweiz, die sich dagegen verwahrt, dass ein türkischer Botschafter als verlängerter Arm von Erdogan sich in unserem Land verbal vergreift und direkt oder indirekt die Negativstimmung und sogar Radikalisierung anheizt.»
Der Facebook-Nutzer, der L. die Morddrohungen geschickt hat, wurde von 20 Minuten kontaktiert. Eine Antwort steht noch aus.
*Name der Reaktion bekannt
Wie handeln nach Drohungen im Internet?
Wer im Internet eine Drohung erhält, soll einen Screenshot davon machen und sich damit umgehend bei der Polizei im Kanton melden, in dem man lebt. «Drohungen sind bei uns ein sogenanntes Antragsdelikt, es wird erst gehandelt, wenn man diese anzeigt», sagt FDP-Nationalrätin Doris Fiala.
Weiter gibt es auf der Webseite des Bundesamts für Polizei (fedpol) ein Formular der Schweizerischen Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Kobik). «Dieses muss man ebenfalls unbedingt ausfüllen. Die Polizei kann nur handeln, wenn alle Drohungen konsequent gemeldet werden», so Fiala.