U21-EMWeissrussen - unbekannt und gefährlich
Zum dritten Mal nach 2004 und 2009 steht Weissrussland in der Endrunde einer U21-EM. Ganz grosse Namen sucht man vergebens, aber auch die Weissrussen können den Ball dreimal jonglieren.
- von
- S. Compagno
- Aalborg
Auf seine schärfste Angriffswaffe muss der frühere Nationalspieler der UdSSR in Dänemark verzichten: Sturmtalent Wladimir Jurtschenko verletzte sich kurz vor der EM in einem Testspiel gegen eine deutsche Amateurmannschaft: Meniskusschaden und Kreuzbandriss lautet die niederschmetternde Diagnose. Der Stürmer von Schachtjor Soligorsk wird sechs Monate pausieren müssen. Bitter für den Spieler, bitter auch für Trainer Kondratiew, war Jurtschenko doch mit seinem Doppelpack im Playoff-Rückspiel gegen Italien (3:0) in Borisov massgeblich daran beteiligt, dass die Weissrussen die Qualifikation für die EM-Endrunde nach einem 0:2 im Hinspiel noch schafften.
Acht Spieler über 23 Jahre
Jurtschenko fehlt, doch die routinierten Weissrussen (acht Spieler haben ihren 23. Geburtstag bereits hinter sich) verfügen über weitere offensive Waffen in ihrem Arsenal. Kondratiew liess seine Auswahl in den zwei Gruppenspielen gegen Island (2:0) und Dänemark (1:2) in einem vorsichtigen 4-4-1-1 auflaufen. Gegen die stämmigen, robusten Osteuropäer erwartet der Schweizer U21-Coach Pierluigi Tami heute Abend in Aarhus (20.45 Uhr, 20 Minuten Online berichtet mit Live-Ticker) ein ähnliches Spiel wie beim 2:0 gegen die defensiven Isländer.
Er hebt zwei Charakteristiken der Weissrussen hervor: «Erstens sind sie eine sehr solidarische, kompakte Mannschaft, die sehr schnell von der Defensive auf Konterattacken umschaltet. Und zweitens sind sie gefährlich nach ruhenden Bällen.» Insbesondere bei Eckbällen bevölkern bis zu sechs der grossgewachsenen Osteuroäer den gegnerischen Stafraum. Hier sind die beiden Innenverteidiger Timm Klose und Jonathan Rossini gefordert. Aber auch Fabian Lustenberger muss seinen Lockenkopf einsetzen.
Woronkow, Dragun und Siwakow
Nach den auffälligsten Weissrussen gefragt, nennt der Schweizer U21-Trainer drei Zahlen: «Die 2, die 7 und die 11.» Die 2 und die 11 sind die beiden weissrussischen Offensivleute. Die 11 gehört Andrej Woronkow. Der grossgewachsene Stürmer steht bei Dynamo Kiew in der Ukraine unter Vertrag, kam dort aber bislang nur bei den Reserven zum Einsatz. Zur Gewinnung von Spielpraxis verbrachte er die abgelaufene Saison in der Stahlstadt Kryvyi Rih beim dortigen Erstigisten Kryvbas. In 34 Spielen gelangen dem 1,85-m-Mann immerhin elf Tore.
Gleich hinter Woronkow ist die Nummer 2, Stanislaw Dragun, die Schnittstelle zwischen Aufbau und Angriff. Der 23-Jährige spielt seit sieben Jahren regelmässig in der ersten weissrussischen Liga und ist bereits Captain von Dynamo Minsk.
Die 7 schliesslich gehört Michail Siwakow. Der Mittelfeldspieler wechselte 2009 von BATE Borisov nach Cagliari, hat mit den Sarden aber nur drei Serie-A-Spiele bestritten und wurde rasch in die Serie B nach Piacenza abgeschoben. Im Januar wechselte er auf Leihbasis für ein halbes Jahr zu Wisla Krakau, wo er in 14 Spielen zum Einsatz kam und immerhin ein Tor zum Meistertitel Wislas beitrug.
Weiter hervorzuheben gilt es in der Mannschaft von Georgi Kondratiew den Torhüter. Aleksandr Gutor, die Nummer 1 von Meister BATE Borisov, zeigte im ersten Gruppenspiel beim 2:0 gegen Island eine überragende Leistung. Die Weissrussen sind heute gegen die Schweiz zu zwei Änderungen gezwungen: Verteidiger Sergej Politevitsch (Dynamo Minsk) und Mittelfeldspieler Nikita Bukatkin (Naftan Novopolozk) sind gelb-gesperrt. «Wir kennen das System der Weissrussen und ihre Stärken», so Tami. «Ich denke nicht, dass diese zwei Absenzen entscheidenden Einfluss haben werden.»
Unterschätzen liegt nicht drin
Es sind nicht die grossen Namen, die zwischen der Schweizer U21 und dem EM-Halbfinal stehen. Aber es ist eine Mannschaft, die man nicht unterschätzen soll. «Das Wort 'unterschätzen' darf es an einer EM-Endrunde ohnehin nicht geben», warnt Pierluigi Tami.
Der weissrussische Trainer Georgi Kondratiew jedenfalls hat beste Erinnerungen an Schweizer Auswahlmannschaften. Am 2. Mai 1985 gelangen dem früheren Stürmer in der WM-Qualifikation gegen die Schweiz zwei Tore. 4:0 gewann die damalige Sowjetunion das Spiel in Moskau. Die Sowjets fuhren – allerdings ohne Kondratiew an die WM nach Mexiko – die Schweiz erlebte die Titelkämpfe wie stets in den fussballerisch dunklen 70er- und 80er-Jahren - am TV.
Die Aufstellung der Schweizer
Sommer; Koch, Klose, Rossini, Berardi; Lustenberger; Shaqiri, Xhaka, Frei, Emeghara; Mehmedi.
Die einzige Veränderung im Vergleich zum Island-Spiel ist Admir Mehmedi, der für Mario Gavranovic ins Team zurückkehrt.