Erdstösse in ItalienWeiteres heftiges Beben erschüttert Italien
Zwei schwere Erdbeben erschütterten Mittelitalien. Ein Mann starb, zwei Menschen wurden verletzt. Jetzt hat die Erde erneut gebebt.
- von
- sep/chk
Chaos in Mittelitalien: Nachbeben bringen eine Kirche zum Einsturz. Video: Tamedia/Reuters
Die Menschen in der Erdbebenregion Italiens kommen nicht zur Ruhe. Auch am Donnerstag kam es in der bereits am Mittwoch heftig getroffenen Gegend Mittelitaliens zu einem kräftigen Nachbeben, das nach Angaben verschiedener Erdbebenwarten eine Stärke von etwa 4,4 hatte. Laut der italienischen Erdbebenwarte INGV wurde der jüngste heftige Stoss um kurz vor halb elf in einer Tiefe von neun Kilometern gemessen.
Der Bürgermeister von Preci, einem betroffenen Ort in der Region, war gerade am Telefon im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Ansa, als sich der neuerliche Stoss ereignete: «Schauen Sie, da ist ein neues Beben. Es lässt uns nicht los», sagte Pietro Bellini demnach.
Ein Mann starb, zwei Menschen wurden verletzt.
Am Mittwoch haben zwei heftige Erdstösse in Mittelitalien böse Erinnerungen an das schwere Beben vor gut zwei Monaten mit fast 300 Toten geweckt. Von hohen Opferzahlen blieb die betroffene Region diesmal indes verschont. Bis Donnerstagmorgen gab es ein Todesopfer zu beklagen, mehrere Menschen wurden leicht verletzt.
Wahrscheinlich in Folge des Erdbebens in Italien hat ein 73-Jähriger nach offiziellen Angaben einen Herzinfarkt erlitten und ist gestorben. Der Schock könnte den Infarkt ausgelöst haben, meldete die Nachrichtenagentur Ansa Donnerstagnacht unter Berufung auf die Carabinieri, die italienische Gendarmerie, der Provinz Macerata.
Er sei das erste «indirekte» Todesopfer des Bebens, sagte der Chef der Provinzbehörde, Stefano Di Iulio, der Agentur zufolge. Der Mann sei in der Stadt Tolentino gestorben. Dass die Menschen ihre Wohnungen so rasch verliessen, dürfte dazu beigetragen haben, dass es nicht mehr Opfer gab.
Das erste Erdbeben ereignete sich um 19.10 Uhr in der Nähe der Ortschaft Visso in der Region Marken und hatte gemäss der US-Erdbebenwarte USGS eine Stärke von 5,5. Das zweite zwei Stunden später hatte gemäss USGS eine Stärke von 6,1. Das italienische Institut für Geophysik und Vulkanologie (INGV) gab die Stärken der beiden Beben mit 5,4 und 5,9 an.
1000 Rettungskräfte im Einsatz
Rund 3000 Menschen haben nach den Erdbeben ihre Häuser verlassen und im Freien oder in Notunterkünften übernachtet. «Wir suchen nach Unterkünften. Wir können in dieser Jahreszeit keine Zelte aufschlagen», sagte der Chef des Zivilschutzes der Region.
Die Bevölkerung verbrachte eine Nacht der Angst. Heftige Niederschläge erschwerten die Lage. Drei Spitäler in der Region Marken mussten aus Sicherheitsgründen evakuiert werden. Die Patienten sind in anderen Spitälern der Gegend untergebracht worden.
Um die 1000 Rettungskräfte waren im Einsatz. «Der Rettungseinsatz hat gut funktioniert, vor allem wenn man bedenkt, dass das Erdbebengebiet besonders gross ist. Wir werden niemanden allein lassen», sagte Innenminister Angelino Alfano.
In der Region Marke wurden durch die Beben zahlreiche Kirchen schwer beschädigt. Der Kirchturm des Wallfahrtsorts von Santa Maria in Via in der Kleinstadt Camerino stürzte auf ein gegenüber liegendes Gebäude. Der Kirchturm war bereits 1997 von einem Erdbeben beschädigt und restauriert worden. Dem Erdbeben am 24. August hatte er noch Stand gehalten.
«Ganz Camerino ist mit seinem historischen Kern ein Monument. Die Sachschäden sind enorm. Auch die Kirche des Heiligen Philipp hat schwere Schäden erlitten», berichtete der Bürgermeister von Camerino, Gianluca Pasqui
Auch in Visso, Epizentrum der Erdbeben vom Mittwochabend, stürzte eine Kirche ein. «Es ist wie nach einem Bombenangriff», berichteten Augenzeugen. Der Erzbischof von Spoleto-Norcia, Renato Boccardo, berichtete, dass die Kirche San Salvatore in Campi di Norcia, rund 20 Kilometer südlich von Visso, eingestürzt sei.
«Stärkste Erdbeben in meinem Leben»
Bürgermeister Guiliano Pazzaglini meldete, Priorität habe nun die Versorgung geflüchteter Anwohner. Sie bräuchten Trinkwasser, Toiletten und etwas Warmes zu Essen, sagte er der Nachrichtenagentur AP. «Dann müssen wir natürlich anfangen, Zelte aufzubauen.» Mit rund 100 Menschen hatte Pazzaglini in einem vom Roten Kreuz eingerichteten Zentrum Zuflucht gefunden. Viele weitere verbrachten die Nacht in ihren Autos.
Marco Rinaldi, der Bürgermeister der hart getroffenen Stadt Ussita, meldete schwere Schäden. Es sei «apokalyptisch» gewesen, der Ort erledigt, sagte er dem Sender Sky TG24. Viele Häuser seien eingestürzt. «Ich habe schon viele Erdbeben miterlebt, aber dieses war das stärkste in meinem Leben.» Die Fassade einer Kirche sei in sich zusammengefallen, in den Strassen hätten Menschen um Hilfe geschrien, der Strom sei ausgefallen. Zwei ältere Anwohner seien aus einem Haus gerettet worden, in dem sie eingeschlossen gewesen seien, berichtete Rinaldi weiter.
Weitherum gespürt
Die Erschütterungen waren in beiden Fällen auch in der Hauptstadt Rom zu spüren. Italienische Medien berichteten, das zweite Beben sei von Venedig im Norden bis nach Tarent im äussersten Süden des Landes zu spüren gewesen. In Rom wie in den Städten Pescara, L'Aquila und Ancona rannten Menschen wegen der Erschütterungen aus ihren Häusern.
Der Erzbischof von Spoleto-Norcia, Renato Boccardo, teilte laut italienischen Medien mit, dass die Kirche San Salvatore in Campi di Norcia, rund 20 Kilometer südlich von Visso, nicht mehr existiere.
Der Bürgermeister von Visso, Giuliano Pazzaglini, sagte im Fernsehen, die Telefonverbindungen in seinem Ort seien wiederhergestellt. Im Fernsehen waren allerdings Bilder von Trümmern vor einer Kirche in Visso zu sehen.
Schulen geschlossen
Wegen der Erdbeben bleiben am Donnerstag mehrere Schulen in mittelitalienischen Städten, darunter Perugia, Terni, Ascoli Piceno und Assisi, sowie L'Aquila geschlossen.
Die Sicherheit aller Schulen müsse überprüft werden, berichtete der Bürgermeister von L'Aquila, Massimo Cialente. 2009 hatten Erdstösse Teile von L'Aquila verwüstet, damals gab es 306 Tote.
Die nun besonders stark betroffene Region liegt in der Nähe von Amatrice. Dort waren nach dem Erdbeben vom 24. August die meisten der fast 300 Todesopfer zu beklagen gewesen. Das Beben hatte damals eine Stärke zwischen 6,0 und 6,2. Es richtete Sachschäden in Höhe von rund vier Milliarden Euro an.
Laut INGV besteht ein Zusammenhang zwischen den Beben vom Mittwoch und dem Beben im August. «Die Nachbeben können lange dauern, manchmal Monate», sagte der Geologe Mario Tozzi im italienischen Fernsehen. (sep/chk/sda)