Das DuellWelche Migrationspolitik brauchen wir?
Für Philipp Müller ist der Vollzug im Asylwesen das Hauptproblem, für Josef Lang sind es die Rechtsnationalisten. Der FDPler und der Grüne über Ausländer, Migration und Rassismus.
- von
- Lorenz Hanselmann

«Alle steuerlichen Privilegien für reiche Ausländer und ausländische Firmen sind aufzugeben.» - «Die Leute spüren, dass im Migrationsbereich etwas nicht mehr stimmt.»: Die Nationalräte Josef Lang von den Grünen(l.) und Philipp Müller von der FDP streiten über die Migrationspolitik.
Hat die Schweiz ein Ausländerproblem?
Philipp Müller: Die Akzeptanz der schweizerischen Migrationspolitik ist heute rasch am Schwinden. Die Leute differenzieren nicht mehr zwischen einem einwandernden deutschen Arzt und beispielsweise einem tunesischen Asylsuchenden. Im Asylbereich haben wir erhebliche Vollzugsprobleme, die Einwanderung von ausserhalb der EU mit alljährlich über 40 000 Menschen ist viel zu hoch ist und die Personenfreizügigkeit muss dringend besser umgesetzt werden. Da hätten wir Möglichkeiten, ohne gleich das gesamte Vertragswerk zu kündigen.
Josef Lang: In der Schweiz gibt es Probleme mit In- und Ausländern. Aber die grössten Probleme schaffen die Ausländerfeinde, weil sie das politische und gesellschaftliche Klima vergiften. Ohne Zuwanderung kein Wohlstand, das gilt für unser Land seit 150 Jahren! Bezeichnend ist, dass die Parteien, welche die Fremdenfeindlichkeit schüren, für die Beibehaltung der Pauschalsteuern für superreiche Ausländer sind. Dabei braucht ein russischer Finanzhai wie Viktor Vekselberg 20 Mal mehr Platz als die Familie des ausländischen Bauarbeiters, der seine Villa gebaut hat.
Soll die Schweiz die Einwanderung besser steuern? Was passiert, wenn die Schweiz einen Einwanderungsstopp einführt, wie ihn derzeit die SVP, SD und Ecopop fordern?
Lang: Einwanderungsstopp bedeutet Wohlstands-Verlust. Was es braucht, ist ein Ausbau der flankierenden Schutzmassnahmen: Verhinderung der Scheinselbstständigkeit, besserer Mieterschutz, mehr sozialer Wohnbau, verdichtetes Bauen, Förderung der Schiene statt der Strasse, weil Autofahrer viel mehr Platz brauchen als Zugbenützer. Ich lade Philipp Müller ein, meinen Vorstoss zugunsten des gemeinnützigen Wohnbaus zu unterstützen. Zudem sind alle steuerlichen Privilegien für reiche Ausländer und ausländische Firmen aufzugeben. Wie der Kanton Zug zeigt, treiben diese die Boden-, Miet- und Pachtpreise extrem nach oben.
Müller: Ein weiterer Ausbau der flankierenden Massnahmen ist nicht nötig. Setzen wir doch um, was bereits vorhanden ist. Es ist doch verständlich, dass die Leute mehr als genug haben, wenn alljährlich über 130 000 Menschen neu in die Schweiz einwandern. Besonders störend ist, dass rund ein Drittel davon gar nichts mit der Personenfreizügigkeit zu tun hat. Wenn es uns nicht gelingt, die Einwanderung aus Drittstaaten zu reduzieren und den kollabierenden Asylbereich in den Griff zu bekommen, wird das Volk den Hammer senken und eine Begrenzungsinitiative annehmen. Dann gute Nacht Bilaterale Verträge. Gefordert sind nicht ständig neue Gesetze, sondern endlich die konsequente Umsetzung des geltenden Ausländer- und Asylrechts.
Minarettverbot, Ausschaffungsinitiativ, jetzt die Bevölkerungsinitiative: Sind wir Rassisten?
Lang: Die Fremdenfeindlichkeit hat die liberalen und humanen Werte, auf denen die moderne Schweiz baut, geschwächt. Das Minarettverbot verletzt sowohl die Religionsfreiheit als auch die religiöse Neutralität des Bundesstaates. Das Hauptproblem ist nicht die kleine Minderheit von Rassisten, sondern die grössere Minderheit von antiliberalen Rechtsnationalisten. Linke und Liberale müssen gegen die Fremdenfeindlichkeit viel mehr zusammenspannen.
Müller: Unsinn! Die Leute spüren, dass im Migrationsbereich etwas nicht mehr stimmt. Wie sollen sie das ausdrücken? Solange wir die Sorgen der Menschen über die Migrationspolitik nicht ernst nehmen, werden immer mehr Volksentscheide gegen die Empfehlung des Bundesrates und der Parlamentsmehrheit gefällt werden.
Könnte mehr internationales Engagement der Schweiz helfen, das Migrationsproblem zu lösen?
Müller: Die Schweiz ist eines der am dichtest vernetzten Länder dieser Erde. Wir engagieren uns weltweit. Wir müssen aber auch zugestehen und anerkennen, dass wir nicht die Probleme der ganzen Welt lösen können. Es kommen sehr viele Leute in die Schweiz. Die Bevölkerung wächst alljährlich um 80 000 bis 100 000 Menschen. Dies ist auf Dauer nicht verkraftbar. Mit noch mehr internationalem Engagement lässt sich diese Entwicklung sicher nicht stoppen.
Lang: Doch. Wenn es den anderen schlechter geht, geht es uns auch schlechter. Es geht nicht, wirtschaftlich von der Welt zu profitieren und sich politisch abzuschotten. Die Schweiz soll ihr ziviles Engagement ausweiten, aber auf die Beteiligung an militärischen Abenteuern im Ausland verzichten. Ein Land, das seit 1847 keinen Krieg mehr führen musste, soll ihre Stärke, das zivile Friedenshandwerk, und nicht das militärische Kriegshandwerk der Welt zur Verfügung stellen. Das bedeutet auch den Stopp von Waffenexporten.
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