Trimethylaminurie: Bennet (7) hat einen seltenen Gendefekt – das hat übel riechende Folgen

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TrimethylaminurieBennet (7) hat einen seltenen Gendefekt – das hat übel riechende Folgen

Rund 90 Prozent aller Lebensmittel, die es gibt, sind für Bennet aus Nordrhein-Westfalen tabu. Isst er sie trotzdem, hat das übel riechende Folgen. Schuld ist ein seltener Gendefekt, von dem nur etwa 400 Menschen weltweit betroffen sind.  

von
Fee Anabelle Riebeling
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Der siebenjährige Bennet leidet an einer sehr seltenen Stoffwechselstörung. Wegen der sogenannten Trimethylaminurie kann er nur etwa zehn Prozent aller Lebensmittel essen: Isst er von den anderen 90 Prozent, riecht er kurz danach stark nach altem Fisch. Weltweit gibt es nur rund 400 Betroffene.

Der siebenjährige Bennet leidet an einer sehr seltenen Stoffwechselstörung. Wegen der sogenannten Trimethylaminurie kann er nur etwa zehn Prozent aller Lebensmittel essen: Isst er von den anderen 90 Prozent, riecht er kurz danach stark nach altem Fisch. Weltweit gibt es nur rund 400 Betroffene.

Youtube/SWR
Eine davon ist Kelly Fidoe-White aus Grossbritannien. 

Eine davon ist Kelly Fidoe-White aus Grossbritannien. 

Screenshot Youtube/Barcroft TV
Den Betroffenen fehlt ein Enzym, das bei Gesunden den Stoff Trimethylamid abbaut.

Den Betroffenen fehlt ein Enzym, das bei Gesunden den Stoff Trimethylamid abbaut.

Screenshot Youtube/Barcroft TV

Darum gehts

  • Bennet (7) riecht häufiger nach altem Fisch. 

  • Grund dafür ist eine sehr seltene Stoffwechselstörung namens Trimethylaminurie.

  • Den Betroffenen, von denen es weltweit nur rund 400 gibt, fehlt ein Enzym, das bei Gesunden den Stoff Trimethylamid abbaut.

  • Normalerweise wird der Stoff von der Leber geruchlos gemacht. Bei Trimethylaminurie-Patientinnen und -Patienten passiert das nicht. 

Dass Bennet anders ist als andere Kinder, sieht man ihm nicht an. Man kann es höchstens riechen. Und zwar immer dann, wenn er etwas gegessen hat, das sein Körper nicht verstoffwechseln kann. Dann riecht er «wie ein Fischgeschäft, in dem vergammelter Fisch in der Auslage liegt», wie seine Mutter vor einigen Monaten im deutschen TV erzählte. 

Zum ersten Mal aufgetreten sei die Reaktion, als die Eltern begannen, ihn mit anderthalb Jahren mit Breikost zu füttern. «Da haben wir gemerkt: Er isst ein Gläschen und hat vier Stunden danach einen unangenehmen Körpergeruch.» Als das immer wieder passierte, «wussten wir: ‹Da stimmt etwas nicht.›» Doch bis zur Bestätigung des Verdachts brauchte es Geduld.

Keine Aussicht auf Heilung

Schuld an der riechenden Reaktion ist eine seltene Stoffwechselerkrankung, die sogenannte Trimethylaminurie, auch Fisch-Odor-Syndrom genannt. Diese geht auf einen Gendefekt zurück: Den Betroffenen fehlt ein Enzym, das bei Gesunden den Stoff Trimethylamid abbaut. Dieser entsteht im menschlichen Körper, wenn dieser Cholin, Carnitin oder Trimethylaminoxid aufnimmt. Die Substanzen sind in zahlreichen Lebensmitteln wie Eiern, Weizenvollkorn, Leber, Sojabohnen und Salzwasserfisch enthalten.

Normalerweise wird dieser in der Leber oxidiert und so geruchlos gemacht. Nicht aber bei Personen mit der Diagnose Trimethylaminurie: Sie sondern ihn über Körperflüssigkeiten wie Schweiss und Urin ab. Auch der Atem kann in Mitleidenschaft gezogen werden. Weltweit gibt es nur rund 400 Personen mit dem Fisch-Odor-Syndrom, die meisten davon sind Frauen. ​​Heilbar ist Trimethylaminurie nicht. Die einzige Möglichkeit, die Symptome in Schach zu halten, besteht darin, Diät zu halten und jene Lebensmittel zu meiden, welche die Trimethylamid-Vorstufen enthalten. 

Deos bringen nichts

Den Fischgeruch mit Deo oder Parfüms zu überdecken, klappt nur für einen kurzen Moment: «Was bei uns mehrere Stunden hält, hält bei ihm vielleicht eine Viertelstunde», erklärt Bennets Mutter in der SWR-Talkshow «Nachtcafé». Der Geruch lasse sich nur über Lebensmittel steuern. Darum sind für den Siebenjährigen rund 90 Prozent aller Lebensmittel tabu.

Um ihn beim Verzicht zu unterstützen, zieht die Familie grösstenteils mit: Natürlich gebe es auch bei ihnen sonntags mal ein Frühstücksei, so die Mutter. «Aber Bennet bekommt dann eine andere Besonderheit: eine grosse Schale frische Erdbeeren oder ein selbst gemachtes Eis, was der Rest der Familie dann eben nicht bekommt.» Auch sonst hat sich die Familie gut organisiert: Ist der Siebenjährige auf einen Kindergeburtstag eingeladen, geben ihm die Eltern etwas zu essen mit. Nur einmal sei er aufgrund seiner seltenen Erkrankung ausgeladen worden.  

Zukunftssorgen und Hoffnungsschimmer

Da Bennet es gar nicht anders kenne, komme er gut mit den besonderen Umständen zurecht. «Er nimmt den Geruch selbst auch gar nicht so wahr. Das ist wohl so wie bei jemandem, der selbst Knoblauch gegessen hat.» Bennet zeige immer mehr Verständnis für seine Krankheit, so die Mutter zu RTL.de: «Wir merken das ganz deutlich, dass er selber Entscheidungen trifft und aktiv Essen ablehnt.» Aber es gebe noch immer Produkte, bei denen er nicht realisiere, ob er sie essen dürfe oder nicht. Etwa Gummibärchen.

Trotzdem macht sich seine Mutter Gedanken, was die Zukunft ihres Sohnes angeht: «Was ist, wenn er mal ein Mädchen kennt und etwas Falsches isst? Wie ist das, wenn er erwachsen ist? Er kann nicht einfach ein Bierchen trinken. Was ist im Job?» Hoffnung geben dürften Bennet und seiner Familie Fälle wie der von Kelly Fidoe-White (siehe Bildstrecke). Die Britin hat das Fisch-Odor-Syndrom. Doch sie hat auch einen Job und einen Ehemann. 

Wusstest du, dass es diese Stoffwechselstörung gibt?

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