Schweizer Film: Wenn das Kinopublikum wegschaut

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Schweizer FilmWenn das Kinopublikum wegschaut

Der beste Schweizer Film hat 2009 fast zehnmal weniger Besucher angelockt als der US-Blockbuster. Trotz enormer Subventionen ist die Schweizer Filmszene am Boden. Das Problem ist hausgemacht.

von
Roman Hess

Der Kassenschlager in den Schweizer Kinos war letztes Jahr «Ice Age III – Die Dinosaurier sind los». Über eine Million Besucher strömten in die Kinosäle. Schweizer Produktionen hinken in der Rangliste hinterher. Die Zahlen sind ernüchternd: Gemäss einer Auswertung von Swiss Films kommt der beste Schweizer Film 2009 – «Giulia's Verschwinden» – auf 146 101 Kino-Eintritte. Auf den weiteren Plätzen folgen «Die Standesbeamtin» mit knapp 78 000 und «Home» mit etwas über 45 000 Besucher. Alle Schweizer Filme zusammen kommen auf einem Marktanteil von mickrigen 3,5 Prozent.

Diese ernüchternden Zahlen bestätigt auch eine von 2004 bis 2007 geführte Statistik des Bundesamts für Kultur: So generiert ein Schweizer Spielfilm durchschnittlich 35 143 Eintritte. Noch viel schlechter lief «Cargo»: Der erste Schweizer Science-Fiction-Spielfilm lockte nur 21 500 Besuchern in die Kinosäle. Dramatischer ist aber die Tatsache, dass 70 Prozent der Schweizer Kino-Produktionen keine 10 000 Eintritte erreichen.

Politik statt Inhalte

Obwohl ein Kinobesuch zu den häufigsten kulturellen Tätigkeiten gehört, profitiert die Schweizer Filmbranche kaum davon. Alex Oberholzer, Filmkritiker bei Radio 24, kennt die Gründe: «Seit drei Jahren wird im Schweizer Film mehr über Politik gesprochen als über Inhalte. Zahlreiche Filme wie 'Sennentuntschi' oder 'Champions' schafften es nur wegen der Differenzen um Produktion und Finanzen in die Schlagzeilen.» Neben personellen Querelen belastete auch die Filmpolitik die Branche, so Oberholzer.

Das goutiert das Publikum nicht und dreht den heimischen Kinoschaffenden den Rücken zu. «Die hiesige Branche befindet sich zurzeit in einem Negativstrudel. Aus diesem herauszufinden ist schwer», erklärt Oberholzer. Kein Wunder liegt der letzte Kassenknüller viele Jahre zurück: «Die Schweizermacher» – ein Film von Regisseur Rolf Lyssy – schaffte das, wovon viele Schweizer Filmemacher nur träumen. Er sorgte für volle Kinosäle. So sahen den erfolgreichsten Schweizer Film der letzten Jahrzehnte über 940 000 Zuschauer. Als Vergleich: «Achtung, fertig, Charlie», der zweit erfolgreichste Schweizer Film schaffte es auf über eine halbe Million.

Kleiner Markt – hohe Subventionen

Der Schweizer Markt ist zu klein, um von einer Filmindustrie zu sprechen. «Für eine Schweizer Filmproduktion ist es fast unmöglich, im kleinen Heimmarkt die Kosten wieder einzuspielen», sagt Mathias Knauer, Publizist und Filmemacher aus Zürich. Das Filmschaffen in unserem Land geniesse eher einen Künstlerstatus. Das bestätigt auch die Aussage von Stefan Haupt, Präsident des Verbandes Filmregie und Drehbuch gegenüber dem «Tages-Anzeiger»: «Die Filmförderung ist primär Kulturförderung, die Gelder sind kulturell legitimiert. Jedoch gibt es vermehrt Produzenten, die sich als treibende Kraft eines Films sehen und die Autoren und Regisseure bloss noch als austauschbare Zulieferer behandeln.»

Dennoch ist es beachtlich, wie viel Geld der Bund in Schweizer Filme steckt. Allein das Bundesamt für Kultur speist nicht weniger als 45 Millionen ins Schweizer Filmfördersystem. Zahlreiche Institutionen wie zum Beispiel das Schweizer Fernsehen oder die Migros buttern ebenfalls Mittel in die hiesige Filmförderung.

Alex Oberholzer konstatiert zudem: «Es gibt nicht genügend Stars in unserem Land.» Wer ein Star werden wolle, der gehe nach Deutschland oder Hollywood. Genau das passiert nun mit Ivan Engler, dem Regisseur von «Cargo». Mit seinem Film erntete er zwar viel Lob, aber wenig Publikum. Zumindest ebnete ihm sein Science-Fiction-Werk den Weg nach Hollywood.

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